Schwimm-Weltrekord:Schnell schlank

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Leichter zum Weltrekord: Marco Koch, der in Rio hinter den Erwartungen geblieben war. (Foto: Eibner/imago)

Marco Koch hätte mit Rang sieben in Rio wohl leben können. Wären da nicht die Erwartungen seines Verbandes. Sein Trainer jedenfalls ist jetzt sauer auf den Chefbundestrainer. Und er hat nun ein weiteres Argument auf seiner Seite: Kochs Weltrekord.

Von Claudio Catuogno

Scheitern reißt Wunden. Darüber kann der Brustschwimmer Marco Koch, 26, in diesem Jahr viel erzählen. Als Weltmeister nach Rio geflogen - als Siebter aus dem Olympia-Becken gestiegen, das sind die nackten Zahlen seiner Enttäuschung. Abhaken, weitermachen. 2020 in Tokio ergibt sich vielleicht wieder die Chance auf eine Olympia-Medaille. Wäre Marco Koch nur sich selbst Rechenschaft schuldig, wäre die Wunde von Rio vielleicht gar nicht ganz so tief.

Aber Koch ist für den Deutschen Schwimm-Verband nun mal das, was man "Aushängeschild" nennt. Man darf das wörtlich verstehen: Der DSV braucht Geld, um seine Leistungssparte zu finanzieren, und das kriegt er leichter, wenn bei Koch die Medaillenproduktion funktioniert. Als Weltmeister nur Siebter werden, ist da nicht so toll, es gibt dann Fragen, der Cheftrainer ist dem DOSB Rechenschaft schuldig, es werden Konsequenzen gefordert, Konzepte angemahnt, alle stehen unter Druck und geben den Druck weiter, und dann kann es sein, dass man sich darüber verkracht.

Alexander Kreisel, Kochs Heimtrainer in Darmstadt, ist jetzt zum Beispiel enttäuscht vom DSV-Chefbundestrainer Henning Lambertz, der wiederum für den DSV die komplett medaillenlosen Rio-Spiele rechtfertigen muss, und der das unter anderem dadurch tut, dass er mutmaßliche Versäumnisse anderer thematisiert, indirekt auch von Kreisel. Eigentlich schätzen sich die beiden. Aber: War Koch in Rio völlig austrainiert? Die Frage ärgert Koch ebenso wie seinen Trainer. "Man reißt sich für den Verband den Hintern auf, vernachlässigt alles andere, hat da gerade im letzten Jahr sehr viel geopfert - und dann kriegt man am Ende auch noch einen oben drauf, dass man alles falsch gemacht hat", sagte Kreisel am Wochenende der FAZ. Lambertz will in Zukunft allen Schwimmern vorschreiben, wie ihr Krafttraining aussehen soll. Deren Trainer wehren sich gegen das Misstrauen, das in der Maßnahme mitschwingt.

Das Duo Koch/Kreisel hat am Sonntag jedenfalls einen Beleg erbracht, dass ihre Trainingssteuerung so schlecht nicht sein kann: Koch schwamm bei den deutschen Kurzbahn-Meisterschaften in Berlin Weltrekord über 200 Meter Brust (2:00,44 Minuten). "Bombastisch", sagte er, "ein geiles Gefühl." Er ist jetzt deutlich leichter als im Sommer, 13 Kilo hatte er zwischendurch abgenommen. Was die Vermutung, dass er in Rio vielleicht doch zu schwer war, zumindest nicht widerlegt. Bloß: Er war halt auch krank gewesen vor Rio, geschwächt. Auch um die Fragen, ob Lambertz darauf in Brasilien und danach angemessen Rücksicht nahm bzw. ob er von der Krankheit überhaupt wusste, dreht sich nun der Disput.

Nein, es ist gerade nicht leicht, der deutsche Vorschwimmer zu sein. Aber so ein Weltrekord heilt vielleicht auch manche Wunde. Sie brauchen einander nämlich, der schnelle Marco Koch und der DSV.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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