Schweden:Nicht gegen Deutschland

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Die Schweden berechnen die günstigste Achtelfinalkonstellation

Thomas Kistner

Freddy Ljungberg stapft in grünen Stollenschuhen über die Teppiche zum Pressezentrum. Grinst verlegen, als ihm der Fifa-Offizielle die Trophäe für den "Spieler des Tages" überreicht, eine Art Zinnbecher mit Henkel dran, den man gern umgehend im untersten Regal des Bastelkellers verstauen würde.

Fredrik Ljungberg: Ganze Kerle (Foto: Foto: Reuters)

Er murmelt etwas über die enorme Bedeutung des 1:0-Sieges über Paraguay, dass es unwichtig sei, dass er das Tor geschossen habe, wohl aber, dass die tollen Fans Grund zum Feiern hatten, er steht auf und drückt dem Offiziellen den Henkelbecher in die Hand. Der stopft ihn zurück in den Pappkarton, während der Mann in den grünen Schuhen davonstapft, schwankend wie ein Seebär auf den Planken seines Windjammers.

Ganze Kerle, diese Tres Kronors. Haben Donnerstagnacht in Berlin nicht nur Paraguay besiegt - erster WM-Erfolg über eine Elf aus Südamerika seit 32 Jahren - sondern auch sich selbst. Das war der wichtigste Sieg überhaupt, und Ljungberg war auch an diesem Match maßgeblich beteiligt.

Feindschaft wiederbelebt

Nach dem blamablen 0:0 zum Auftakt gegen Trinidad hatte er die Feindschaft mit Teamkapitän Olof Mellberg wiederbelebt, noch in der Kabine geriet er mit ihm aneinander, die Kollegen hatten Mühe, Handgreiflichkeiten zu verhindern.

Die gab es schon einmal, vor vier Jahren gingen sich Ljungberg und Mellberg im Training an die Gurgel. Sie sind zwei ähnlich gestrickte Typen, die Niederlagen so sehr frustrieren, dass es ungesund werden kann.

Nach dem Trinidad-Spiel hatte Ljungberg dem Kapitän vorgeworfen, nur hohe Bälle statt der geforderten Flachpässe gespielt zu haben, es gab Gebrüll, danach verliefen wieder Gräben durchs Team.

Am Dienstag vorm Training rief Stürmer Henrik Larsson das Team zum Krisengipfel in der Kabine zusammen, Larsson ist die Respektsperson. Nach einer Weile kam auch Lars Lagerbäck hinzu, der Trainer hängt der These an, dass solche Konflikte innerhalb der Gruppe gelöst werden sollten.

Ein Heimspiel

Das Resultat war sehenswert. "Schon in der Umkleide vorm Spiel", so Lagerbäck, "war zu spüren, dass es diesmal besser wird, die Anspannung war viel höher." Was auch an den 50.000 schwedischen Fans lag, die wie eine gelbe Schallmauer das Berliner Olympiastadion in eine Zitronenpresse für Paraguay verwandelt hatten.

"Es war ein Heimspiel", sagte Mellberg später, und Lagerbäck schwärmte: "Ich glaube nicht, dass hier jemals eine Mannschaft mehr Unterstützung erfahren wird, als wir sie hatten."

Der Triumph durch Ljungbergs Kopfball in der Schlussminute, nach einem Kampfspiel von hoher Intensität, hat Schweden das Weiterkommen faktisch gesichert, ein klarer Sieg Trinidads über Paraguay ist ja unwahrscheinlich. Daher reichten die Spekulationen beim Smalltalk am Freitag vor der Rückreise ins Bremer Quartier über das letzte Gruppenspiel gegen England hinaus.

Denn diese Partie, ist zu befürchten, wird einer höheren Turnierstrategie untergeordnet. Das sprach keiner offen aus, aber jeder indirekt, indem er sich fürs Achtelfinale lieber Ecuador als Gastgeber Deutschland wünschte.

Die endgültige Spitzenkonstellation in Gruppe A wird schon vorm England-Match feststehen, das hat den Vorteil, auf die gewünschte Endplatzierung in Gruppe B spielen zu können. Wird Ecuador Erster, wäre es einfach, dann bräuchte Schweden nur nicht zu gewinnen.

Im anderen Falle müsste ein Sieg her. Da aber Lagerbäcks Landsmann und Trainerkollege im englischen Team, Sven-Göran Eriksson, ähnliche Kalkulationen anstellen dürfte, sind für dieses letzte Gruppenspiel zwei Varianten denkbar: Ein harter Kampf, um als Gruppenerster auf Ecuador zu treffen, oder ein lauer Trainingskick, weil jeder als Gruppenzweiter den Deutschen und ihren gefürchteten Fanmassen ausweichen möchte.

Lagerbäck wollte solche Überlegungen nicht kommentieren und tat es doch, als er als Parole ausgab: "Wir müssen das Spiel gegen England kontrollieren."

Sicher ist, dass Torjäger Ibrahimovic fehlen wird, gegen Paraguay erlitt er eine Leistenzerrung. Und sicher ist auch, dass zwei wie Ljungberg und Mellberg nicht mal mehr als Weltmeister zusammenfinden werden. "Olof", wollte ein Journalist wissen, "wirst du Freddy nach seinem heutigen Tor etwas zu Weihnachten schenken?" Mellberg drehte sich um und ging wortlos davon.

© SZ vom 17.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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