Schutzfrist:Butterweich und knochenhart

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Verhandlungen mit Spielern sind vor Ablauf der Schutzfrist nicht erlaubt - bestraft werden solche Verstöße aber nur in England. In Deutschland existiert hier eine Grauzone, die die Klubs lieber nicht so genau ausgeleuchtet haben wollen.

Christof Kneer

" Vereine oder Kapitalgesellschaften, die einen Spieler verpflichten wollen, der noch bei einem anderen Verein oder einer Kapitalgesellschaft unter Vertrag steht, müssen den Verein oder die Kapitalgesellschaft vor der Aufnahme von Vertragsverhandlungen schriftlich darüber informieren. Ein Spieler darf ohne Einverständnis seines bisherigen Vereins oder der Kapitalgesellschaft einen Vertrag mit einem Verein oder einer Kapitalgesellschaft nur abschließen, wenn sein Vertrag (...) abgelaufen ist oder in den folgenden sechs Monaten ablaufen wird. Ein Verstoß (...) wird als unsportliches Verhalten gemäß §1 Nr. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB geahndet."

Auch Miroslav Klose soll von FC-Bayern-Verantwortlichen zum Gespräch bestellt worden sein - was Bremen irritierte. (Foto: Foto: AP)

Inzwischen darf Jonathan Barnett wieder das tun, was er am besten kann. Er darf sich wieder in verschwiegenen Hinterzimmern mit verschwiegenen Menschen treffen, um zu beraten, wie man den Spieler X am besten zum Verein Y transferiert.

Zwar hat Barnett sein Leben lang nichts Anderes gemacht, aber trotzdem ist das Hinterzimmer im Moment wieder etwas Besonderes für ihn. Er hat es nämlich neun Monate lang nicht betreten dürfen, er war ein Berater, der nicht beraten durfte.

Stramme Geldstrafen

Jonathan Barnett war jener Mann, den der englische Fußballverband FA mit einem vorübergehenden Berufsverbot belegte, weil er seinen Mandaten, Arsenals Linksverteidiger Ashley Cole, in einem Hinterzimmer mit Chelseas Trainer José Mourinho zusammengebracht hatte - und zwar außerhalb der so genannten Schutzfrist, die in den Statuten des Weltverbandes Fifa festgeschrieben ist (siehe Vorspann) und offizielle Verhandlungen erst ein halbes Jahr vor Vertragsende erlaubt.

Zuvor hatte die FA bereits die anderen Hinterzimmerinsassen stramm sanktioniert; umgerechnet knapp 900.000 Euro an Bußgeldern wurden fällig, gerecht verteilt auf den Verein FC Chelsea (450.000), den Trainer Mourinho (300.000) und den Linksverteidiger Cole (150.000).

Man muss diese eine Geschichte kennen, um die Tragweite jener anderen Geschichte zu verstehen, die sich gerade in Deutschland abspielt. Dort haben die Verantwortlichen des FC Bayern angeblich den Spieler Klose außerhalb der Schutzfrist zum Gespräch bestellt, was die Bremer zwar aufs Schärfste irritiert hat, aber keinesfalls zum Äußersten treibt.

Zwar verwies Werders Aufsichtsratschef Willi Lemke umgehend auf die Statuten, welche vom Vorstandschef Jürgen Born aber ebenso umgehend als "butterweich" bezeichnet wurden. "Eher als Empfehlung" sei die Schutzfrist zu verstehen, so Born - weshalb die Bremer fürs Erste nicht vorhaben, eine Protestnote bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zu hinterlegen.

Die Schutzfrist zählt zu jenen heiklen Themen, bei denen die Branche gerne die Stimme senkt. Die Begeisterung, darüber zu reden, ist eher begrenzt, was vor allem daran liegt, dass die Regelung keineswegs butterweich ist.

Bequeme Grauzone

"Knochenhart" sei die Regel, sagt einer aus der Beraterbranche; mit einem Spieler dürfe in der Schutzfrist "unter keinen Umständen" verhandelt werden (weshalb gern die Berater vorgeschickt werden). Butterweich ist demnach eher der Umgang mit der Regel, anders als England, dem Land des Fairplay, wo die Klubs die Verhandlungsfristen in aller Regel respektieren.

Die aktuelle Debatte lenkt den Blick somit auf eine Grauzone, welche die Bundesliga lieber nicht so genau ausgeleuchtet haben möchte; zum Beispiel steht auch in den Statuten, dass die Klubs nicht mit unlizenzierten Agenten verhandeln dürfen, die sich dennoch gelegentlich in den Hinterzimmern einfinden, gerne auch vor Ablauf der Schutzfrist.

Noch hat hierzulande kein Klub einen Verstoß zur Anzeige gebracht, wozu auch das Kompetenzgerangel der Instanzen beiträgt. Die DFL reklamiert zwar bei jeder Gelegenheit die Herrschaft über den Spielbetrieb für sich; in diesem kniffligen Fall aber hat sie offenbar wenig Lust, es sich mit den Klubs zu verderben und schanzt die Verantwortung lieber der Sportgerichtsbarkeit des DFB zu. Der DFB dagegen findet, dass dieser unbequeme Fall doch mal eine schöne Herausforderung für den Hoheitsanspruch der DFL wäre.

Ob die Schutzfrist in ihrer bequemen Grauzone bleiben darf, ist aber noch nicht gesichert. Womöglich halten die Bremer nur still, weil sie Mannschaft und Umfeld im Titelrennen nicht noch weiter verunsichern wollen. Sollte keine Chance mehr auf den Titel bestehen, sagt ein Insider, könne er sich vorstellen, "dass die Bremer ein Fass aufmachen".

© SZ vom 28.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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