Schießen:Präzise Schnellfeuereinlagen

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"Mittlerweile ist alles wieder ziemlich beim Alten." - Mit seinem Olympiasieg in Rio geriet Christian Reitz eine Zeit lang ins Rampenlicht. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Christian Reitz kehrt mit fünf Medaillen von den Schieß-Europameisterschaften in Baku zurück.

Von Katharina Brumbauer

Wenn das Ladekommando ertönt, beginnt für Pistolenschütze Christian Reitz die gefühlt längste Zeitspanne des Wettkampfes - obwohl sie nur 60 Sekunden beträgt. So viel Zeit haben die Pistolenschützen, ihr Magazin zu füllen, es in die Waffe einzuführen, mental die anstehenden Schüsse durchzugehen, sich in eine gute Standposition zu bringen, die Scheibe zu fixieren und natürlich die Pistole so zu nehmen, dass sie gut in der Hand liegt. Nach diesen 60 Sekunden wird es ernst, ein lautes "Attention" hallt über den Schießstand, eine Ampel springt auf grün - und der Schütze muss seine Schießserie von fünf Schüssen auf die Scheiben abfeuern.

Gelungene Schießserien brachte Reitz bei der am Donnerstag zu Ende gegangenen Schieß-Europameisterschaft in Baku durchaus auf die Scheibe. Einzel-Bronze und Mannschaftsgold mit seiner Paradewaffe, der Schnellfeuerpistole, dazu Silber in Mannschafts- und Einzel-Bewerb der Standardpistole sowie im Einzel der Zentralfeuerpistole gewann der Regensburger Schnellfeuerpistolen-Olympiasieger von Rio. Nach dem Vorkampf zum Schnellfeuer-Finale lag Reitz mit einem Ergebnis von 589 Ringen sogar auch im Einzel noch auf Goldkurs, doch ein Schlagbolzenbruch an seiner Waffe machte seine Pläne zunichte. "Ich hatte ganz solide Leistungen, aber so ein kleines bisschen hat halt gefehlt", sagte Reitz nach dem Schnellfeuer-Finale, bei dem eben am Ende Bronze heraussprang. Dennoch: "Ich bin mit dem EM-Verlauf - drei Einzel- und zwei Mannschaftsmedaillen - sehr zufrieden, auch wenn natürlich immer mehr geht. Und wenn vielleicht eine geplante Medaille nicht gekommen ist, gab es auch die ein oder andere unerwartete für unser Team. Insgesamt ist es eigentlich ganz gut gelaufen für unsere deutschen Schützen."

Die Windbedingungen in Baku kannte er aus München

25 Medaillen gingen auf das Konto der Deutschen. Eine Goldmedaille mehr stünde zu Buche, hätte der Europäische Schießsportverband (ESC) nicht beschlossen, dem deutschen Skeet-Frauen-Team ihr Mannschafts-Gold, welches traditionell nach den Ergebnissen der Einzel-Vorkämpfe vergeben wird, doch wieder abzuerkennen. Dies gab der DSB daraufhin auf seiner Homepage bekannt.

Der ESC entschied kurzfristig, die Resultate eines neu geschaffenen und bei dieser Europameisterschaft ursprünglich nur zu Testzwecken angesetzten Mannschaftsfinales zu werten. Wo die deutschen Frauen chancenlos waren, weil sie schlichtweg schon im Flugzeug nach Hause saßen. Die deutsche Delegation legte laut DSB-Meldung Protest ein wegen dieser befremdlich wirkenden Entscheidung.

"Befremdlich" nimmt Reitz generell Wettkampfreisen in autoritär geführte Staaten, wie eben auch jetzt zur EM nach Baku, wahr. Reitz glaubt an eine wertevermittelnde Funktion des Sports und einen positiven Einfluss von sportlichen Großereignissen auf Länder wie Aserbaidschan, aber "es kann sich nicht plötzlich alles ändern, auch nicht durch die Präsenz von Sportlern".

Die Präsenz guter Trainingsbedingungen und Coaches gerade in Bayern sorgt für einige Nationalkaderschützen mit bayerischer Herkunft. Reitz selbst ist gebürtiger Sachse, stammt aus Löbau in der Lausitz, zog 2005 für sein Studium zum Polizeikommissar an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung nach Kriftel, arbeitete sich neben dem Schießen hauptberuflich zum Polizeioberkommissar hoch und wechselte der Trainingsbedingungen und der damaligen Freundin und heutigen Ehefrau wegen zum Stützpunkt Regensburg. Bis heute ist Reitz Teil der Sportfördergruppe der hessischen Polizei, lebt aber mit Ehefrau Sandra, ebenfalls Pistolenschützin im Nationalkader, eben in Regensburg - und trainiert regelmäßig in München auf der Olympiaschießanlage.

Bei Olympia konnte Reitz schon 2008 in Peking im jungen Alter von 21 Jahren reüssieren, als er mit der Schnellfeuerpistole Bronze gewann und anschließend vom damaligen Bundespräsident Horst Köhler das Silberne Lorbeerblatt verliehen bekam. Nach seinem Olympiasieg von Rio 2016 wurde ihm die Ehre, Deutschlands höchste Sportauszeichnung verliehen zu bekommen, erneut zuteil. "Schwer beeindruckend" fand Reitz das, die Zeit unmittelbar nach Rio bezeichnet er als "schon ein bisschen anders". Viel habe sich in seinem Leben aber nicht verändert, und "mittlerweile ist alles wieder ziemlich beim Alten".

Alles beim Alten schien auch bei Reitz' Rückkehr nach Baku zu dieser EM. Der Schießstand in Aserbaidschans Hauptstadt am kaspischen Meer gilt zwar ob dieser Lage als recht windanfällig, was ihn "nicht unbedingt leicht zu schießen" mache, wie Reitz sagt, doch diese Bedingungen kenne er auch aus München. Mit dem Schießstand in Baku zurechtzukommen, verschaffte Reitz bei seinen EM-Auftritten in diesem Jahr einen Vorteil, wie auch bei den ersten Europaspielen 2015, als er zweimal Gold gewann und sein Weg, zum erfolgreichsten deutschen Sportschützen zu avancieren, geebnet war.

Gedanken über vergangene Erfolge würden im Training vor bedeutenden Wettkämpfen aber kaum helfen, sagt Reitz. Für den 30-Jährigen steht die Vorbereitung auf das nächste Großereignis schon fast direkt ins Haus. Mit den anstehenden Weltmeisterschaften im kommenden Sommer in Changwon in Südkorea werden die ersten Quotenplätze für Tokio 2020 vergeben. Wo das nächste olympische Märchen von Christian Reitz über die Bühne gehen könnte.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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