Schießen:Bis das Auge brennt

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Die Erfolge der Schützen sind Ergebnis vieler Veränderungen. Und die nächsten stehen schon an: Drei der fünf Medaillen-Gewinner von Rio hören auf.

Von Volker Kreisl

Das Bild von den deutschen Sportschützen hat sich binnen einer Woche extrem verändert. Fünf Medaillen. Der Aufstieg zu einer neuen Olympia-Bestleistung gelang derart schnell, dass die Misere von vor vier Jahren in London wie ein altes Schwarzweiß-Bild wirkt, und nun wurde der Farbdruck erfunden. Wie immer stellt sich die Frage, ob da System dahintersteckt. Oder ob in vier Jahren in Tokio wieder vieles eher grau wird.

Bei den Spielen in London 2012 war der Deutsche Schützenbund (DSB) ganz ohne Medaille geblieben, das schlechteste Ergebnis seiner Geschichte. Für einen auf großer Breitensport-Basis ruhenden, aber bescheiden ausgestatten Sport ist das verheerend gewesen. Die Top-Schützen leben wie die Vertreter anderer Sportarten - die Judoka, die Kanuten, im Winter die Rodler - von ihrem Olympiaerfolg. Fällt der aus, steht gleich alles in Frage. Doch bei den Spielen in Rio hat der Verband nun drei Gold- und zwei Silbermedaillen geholt; Christian Reitz steuerte am Samstag Olympiasieg Nummer drei mit der Schnellfeuerpistole bei. Zuvor hatten schon Barbara Engleder und Henri Junghänel ihre Wettbewerbe gewonnen, zudem Monika Karsch Pistolen-Silber und die Bogenschützin Lisa Unruh Bogen-Silber geholt. Insgesamt ist dies das erfolgreichste Abschneiden des DSB bei Olympia, seit es ihn gibt.

Drei der fünf Medaillengewinner von Rio hören auf - der ewige Kreislauf beginnt wieder von vorn

Von den Goldgewinnern hören nun aber alle bis auf Reitz auf, auch Silber-Frau Karsch zieht sich ins Privatleben zurück. Alle wollen sie endlich Geld verdienen wie jeder andere Berufstätige, somit steht gleich wieder der nächste Generationswechsel im Schießen an. Ein ewiger Kreislauf, der wohl immer wieder auf Höhen und in Tiefen führt, könnte man glauben, hätte der ehrwürdige Schützenbund nach dem Ärger von London nicht eine Selbsterneuerung vollzogen, ein Sprung in die Moderne, wie sie der Dachverband DOSB mittlerweile generell von allen fordert.

Aus Altersgründen schieden die Trainer im Bereich Flinte und Pistole aus, zugleich wurde bei der Hauptversammlung 2013 ein Posten geschaffen, der anderswo selbstverständlich ist: Der Vize-Präsident Sport, Gerhard Furnier, sollte ab sofort dafür sorgen, dass die Probleme der Top-Schützen bis ins Präsidium hinein gehört werden. Details wie die Arbeit mit Sportpsychologen wurden vorangetrieben, aber auch Selbstverständlichkeiten wie mehr Vertrauen in Nachwuchsschützen und eine generelle Verjüngung der Mannschaft.

Die wichtigste Errungenschaft aber - etwas, was in vielen kriselnden Verbänden fehlt -, war in den vergangenen vier Jahren etwa in München beispielhaft zu beobachten: ein echter, fruchtbarer gegenseitiger Wettbewerb im Training. Barbara Engleder konnte mehrere Jahre mit drei gleichwertigen Schützen trainieren, die Gruppe nennt sich "Burning Eye", brennendes Auge, in Anspielung auf das ewige Anvisieren des Ziels. Vor allem in den Monaten vor den Spielen haben sie immer wieder das olympische Finale simuliert, das Schießen gegen mehrere Gegner im Ausscheidungsverfahren. Und weil das offenbar wirkte, wurde das Wettbewerbsprinzip auch fürs ganze Team auf die Zeit der Qualifikation vor Rio verschärft angewandt. Engleder, Reitz und die anderen mussten sich in einem besonders langen und über viele Monate gehenden Ausscheidungswettkampf durchsetzen.

"Wir haben jetzt die Früchte unserer Veränderungen und Verbesserungen geerntet", erklärte Heinz-Helmut Fischer, der Präsident des Deutschen Schützenbundes. Wobei man sich fragen muss, warum diese Veränderungen und Verbesserungen, von denen manche überfällig wirken, nicht früher angegangen wurden. Doch bis zum ersten gemeinsamen großen Ausrutscher hatten die deutschen Schützen ja auch nie ein Problem. Jetzt rückt eine neue Generation nach, und auch das Bild der Zukunft hat einen Hauch von Rosa.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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