Schiedsrichterskandal:Ausverkauf im Internet

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Der DFB-Angestellte Trautmann soll mit Sportartikeln gehandelt haben, die er als Schiedsrichter günstig erwarb. Und wieder glänzt der DFB nicht bei der Aufklärung.

Thomas Kistner

Der Schiedsrichter-Skandal beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) erreicht neue Dimensionen. Der Sportartikelkonzern und langjährige DFB-Werbepartner Adidas lässt nach Angaben von Pressesprecher Oliver Brüggen "derzeit durch die Rechtsabteilung prüfen", ob der DFB-Angestellte Stefan Trautmann in größerem Umfang Sportartikel im Internet versteigert hat, die er angeblich kostengünstig über seinen Status als Verbandsangestellter für den Eigenbedarf erwerben konnte.

Schriedsrichter Trautmann (Foto: Foto: dpa)

Der Trautmann zur Last gelegte Handel mit Ware soll gewerbsmäßige Ausmaße besitzen, dies zeigen jedenfalls Verkäufe und Bewertungslisten der virtuellen Verkaufsplattform eBay - und anders wäre es kaum zu der Meldung des Ausrüsters beim Fußballverband gekommen.

Den bringt der Vorgang Trautmann gleich doppelt in Bedrängnis: Der 32-Jährige ist nicht nur beim DFB als Sachbearbeiter für die Schiedsrichterabteilung tätig, er ist auch selbst Bundesliga-Schiedsrichter. Am Montag reagierte der DFB auf eine Anfrage der SZ mit einem aufallend gewundenen Pressetext: "Für Konsequenzen gegen Stefan Trautmann sieht der DFB-Schiedsrichterausschuss derzeit keine Veranlassung.

Trautmann, der hauptberuflich in der DFB-Schiedsrichter-Abteilung arbeitet und dort für internationale Angelegenheiten zuständig ist, hatte am 3. Februar 2005 mitgeteilt, dass er im Rahmen einer administrativen Tätigkeit persönlich übereignete Sportartikel für karitative Zwecke über eBay versteigert, aber nicht den ihm vorgeworfenen gewerblichen Handel betrieben habe.

Dies führte zu einer internen Prüfung, die noch nicht abgeschlossen ist. Der DFB-Schiedsrichterausschuss wurde darüber am Sonntag informiert."

Indes war es nicht Trautmann, der sich an jenem 3. Februar selbst offenbart hatte, vielmehr soll die entsprechende Nachfrage von Ausrüster Adidas an den DFB gerichtet worden sein.

Zudem zeigen Internet-Recherchen, dass die Verkäufe über einen längeren Zeitraum zurück gehen. Über DFB-Marketingchef Lichtner und Schiedsrichterreferent Hinke soll der Vorfall bei dem für Personalfragen zuständigen Justiziar Götz Eilers gelandet sein. Auf dessen Schreibtisch war schon im August 2004 das Warnschreiben von Oddset bezüglich des Manipulationsverdachts zu zwei von Robert Hoyzer gepfiffenen Spielen eingegangen.

Bereits damals war die Verbandsspitze nicht informiert worden. So liegen die Dinge offenbar auch im Fall Trautmann: Der geschäftsführende DFB-Präsident Theo Zwanziger hatte erst gestern Vormittag von der Angelegenheit erfahren, die dann gleich im Schiedsrichter-Ausschuss lebhaft diskutiert wurde.

Denn der Fall Trautmann hat nicht nur deshalb Brisanz, weil die eigenartige Verschränkung der Tätigkeiten als Spielleiter und als Sachbearbeiter in der Schiedsrichterabteilung naturgemäß zu einem besonderen Wissen und mutmaßlich auch zu besonderem Einfluss führen muss.

Im DFB war dies nie ein Thema, als problematisch war dort auch nie empfunden worden, dass gegen Trautmann bereits am 18. Juli 2001 vom Amtsgericht Frankfurt/Main ein Strafbefehl (Aktenzeichen 961 Cs 3340/780.Js 9432.8/00) verhängt worden ist.

Trautmann war nachgewiesen worden, als Lehrwart der Kreisschiedsrichter-Vereinigung Frankfurt insgesamt 43 Unterschriften gefälscht und sechs Quittungen manipuliert zu haben. Er erhielt "eine Gesamtstrafe von 90 Tagessätzen", wie es im Strafbefehl heißt. Trautmann ist damit vorbestraft.

Hinzu kam eine kleine Geldstrafe durch den Hessischen Fußball-Verband, ansonsten wurden keine Konsequenzen bekannt. "Er hatte sich damals sportlich und dienstlich nichts weiter zu Schulden kommen lassen", so DFB-Mediendirektor Harald Stenger am Montag, "deshalb bekam er die zweite Chance."

Trautmann wurde von seinem Arbeitgeber DFB auch bald als Unparteiischer für Spiele in den Profiligen nominiert.

Dieser frühere Fall zeigte bereits, dass bei Deutschlands Schiedsrichtern mit zweierlei Maß gemessen wird. "Das ist bei uns klar geregelt -- wer Geschenke annimmt, fliegt raus", lautet einer der Sinnsprüche von Volker Roth, Chef des Schiedsrichter-Ausschusses.

Unter dieser Prämisse wäre Trautmann schon damals nicht mehr zu halten gewesen, doch hat ihn sein berufliches Umfeld geschützt - nur dieser Schluss bleibt, und wird auch von Betroffenen so interpretiert.

"Es liegt wohl mit Sicherheit daran, dass er im Zentrum der Vorgänge sitzt. Ich könnte mir vorstellen, dass es da ein gegenseitiges Geben und Nehmen gegeben hat, Nominierungen gegen Informationen", vermutet Thorsten Bastian gegenüber der SZ.

Bastian war von 1991 bis 1999 Schiedsrichter-Assistent in der Bundesliga -- und Anzeigenerstatter im damaligen Fall Trautmann. Dieser hatte nach Aktenlage auch Bastians Namen unter Abrechnungen gesetzt, die Beträge wurden auf sein Konto überwiesen.

Zugleich entschied der DFB gestern, Trautmanns Kollegen Torsten Koop bis auf weiteres nicht mehr einzusetzen. Den Bundesliga-Referee trifft die Hoyzer-Affäre mit ganzer Wucht. Der Schiedsrichter-Ausschuss reagierte auf das lange Schweigen und das zögerliche Verhalten Koops im Zusammenhang mit dem Wettskandal.

Koop hatte den Verband über einen Anwerbeversuch durch Hoyzer verspätet in Kenntnis gesetzt, er hatte den Vorgang Tage zuvor auf eine Presseanfrage sogar in Abrede gestellt. Koop sei jedoch nicht von der Schiedsrichterliste gestrichen worden, hieß es nach der Sitzung. Auch von einer Suspendierung wurde abgesehen.

In Anbetracht der neuen Affäre erscheint diese milde Maßnahme in einem neuen Licht - zumal Schiedsrichter-Sprecher Manfred Amerell am Wochenende erklärt hatte, Koop werde nie wieder pfeifen.

© SZ vom 15.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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