Schiedsrichter-Prozess:Angekommen in der Realität

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Der Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer muss wegen der Manipulation von Fußballspielen überraschend ins Gefängnis.

Hans Holzhaider

Robert Hoyzer wirkte sichtlich schockiert. Noch bei der Urteilsverkündung hatte der Angeklagte die Augen fest geschlossen gehalten, so als hoffe er, gleich aus einem bösen Traum zu erwachen. Während des gesamten Prozesses war der stets im Anzug erschienene frühere Schiedsrichter betont seriös und kooperativ aufgetreten. Und nach den Plädoyers der Staatsanwaltschaft, die am Dienstag nur eine zweijährige Bewährungsstrafe für den ehemaligen Schiedsrichter gefordert hatte, durfte Hoyzer damit rechnen, dass sich seine Haltung strafmildernd auswirken würde.

Doch die 12. Strafkammer des Berliner Landgerichts ist dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die am Dienstag noch Hoyzers "freiwilliges Geständnis" und sein "detailgenaues Erinnerungsvermögen" gelobt hatte, nicht gefolgt. Sie verurteilte den 26-Jährigen am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten. Ante Sapina, der 28-jährige Kroate, der Hoyzer zu Spielmanipulationen angestiftet und so hohe Wettgewinne erzielt hatte, wurde zu zwei Jahren und elf Monaten verurteilt.

Antes Brüder Milan, 40, und Filip, 37, erhielten Bewährungsstrafen von 16 und zwölf Monaten. Sie hatten als Geldboten für Ante gearbeitet und in seinem Auftrag Spiele beobachtet. Der frühere Schiedsrichter Dominik Marks, 30, wurde zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. In seinem Fall blieb das Gericht deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die zwei Jahre ohne Bewährung gefordert hatte. Marks hatte nur zugegeben, in zwei Fällen Geld von Sapina erhalten zu haben. Das Gericht war aber überzeugt, dass er dafür Spiele manipuliert hatte.

Kein bandenmäßiger Betrug

Der Haupttäter im Schiedsrichterskandal, daran ließ die Vorsitzende Richterin Gerti Kramer keinen Zweifel, war Ante Sapina, dem ein psychiatrischer Gutachter attestiert hatte, er leide unter Spielsucht. Als Betrugshandlung sei allein der Abschluss der Wetten zu werten. Darauf aber hätten die Schiedsrichter Hoyzer und Marks keinerlei Einfluss gehabt. Sie könnten daher nur wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt werden. Es liege auch kein bandenmäßiger Betrug vor, stellte das Gericht fest. Nur weil es mit Dominik Marks einen dritten Tatbeteiligten gebe, könne man nicht, wie die Staatsanwaltschaft forderte, von einer Bande sprechen.

Strafverschärfend für Hoyzer wertete das Gericht, dass er "ohne Not die wichtigste Pflicht eines Schiedsrichters, die Neutralität", verletzt, seine Assistenten in große Schwierigkeiten gebracht und auch andere Schiedsrichter in seine Manipulationen verstrickt habe. Auch der lange Tatzeitraum und die Höhe der verursachten Schäden wirke strafverschärfend, sagte die Richterin.

Dem Hamburger Sportverein, der durch Fehlentscheidungen Hoyzers um den Sieg im Pokalspiel gegen Paderborn gebracht wurde, seien auch wirtschaftliche Nachteile entstanden. Für dieses Spiel setzte das Gericht mit einem Jahr und neun Monaten die höchste Einzelstrafe für Hoyzer an.

Den Einwänden von Ante Sapinas Verteidigern, dass der Abschluss von Wetten auf manipulierte Spiele im strafrechtlichen Sinn gar keinen Betrug darstelle, folgte das Gericht nicht. Es berief sich dabei auf das so genannte Jockey-Urteil des Bundesgerichtshofs von 1979. Damals war ein Wetter verurteilt worden, der bei einem Pferderennen einen Jockey bestochen hatte, absichtlich zu verlieren.

"Das Gericht sieht nicht so viel Unterschied zwischen Pferderennen und Fußball", sagte Gerti Kramer. Ante Sapina habe den Wettanbieter Oddset getäuscht, indem er beim Abschluss der Wette sein Wissen von der geplanten Manipulation verschwiegen habe. Allein durch den Abschluss der Wette sei ein Schaden entstanden, weil der Wettanbieter so zu einer Zahlungszusage im Fall des Wettgewinns veranlasst worden sei.

Allerdings war auch das Verhalten von Oddset nach Ansicht des Gerichts nicht über jeden Zweifel erhaben. "Rätselhaft" sei, warum Oddset keine Strafanzeige erstattet habe, obwohl es nach dem Pokalspiel Paderborn - HSV einen konkreten Manipulationsverdacht gegeben habe, sagte die Richterin. "Aber man wollte wohl das Huhn, das goldene Eier legt, nicht so ohne Weiteres schlachten". Es sei nicht auszuschließen, fuhr Kramer fort, dass Oddset nach diesem Strafprozess wirtschaftlich besser dastehe als vorher, nicht nur wegen der Wettergebnisse, sondern auch wegen der hohen Öffentlichkeitswirkung des Verfahrens.

Allzu belastend wird die Strafverbüßung für Hoyzer aber wohl nicht werden: In Berlin können Gefangene, sofern sie einen Job haben, von Anfang an ihrer Arbeit nachgehen und müssen nur nachts einrücken. Sowohl Hoyzer wie auch Ante Sapina könnten ihre Strafen in diesem "offenen Vollzug" verbüßen, kündigte die Richterin an. Das letzte Wort in diesem Prozess ist ohnehin noch nicht gesprochen. Hoyzers und Ante Sapinas Anwälte wollen Revision gegen die Urteile einlegen.

© SZ vom 18.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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