Schalke 04 - VfL Wolfsburg (18 Uhr):"Ruhig, ganz ruhig"

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Der VfL Wolfsburg war eine der positiven Überraschungen der Hinrunde. Dennoch warnt Geschäftsführer Schmadtke eindringlich vor übertriebenen Erwartungen - auch angesichts einiger Verletzungssorgen.

Von Jörg Marwedel, Wolfsburg

Neulich war Grafite in Wolfsburg, jener Spieler, der dem VfL 2009 als Torschützenkönig und "Fußballer des Jahres" maßgeblich zur deutschen Meisterschaft verholfen hat. Natürlich hat er mit seinem früheren Mitspieler Marcel Schäfer von alten Zeiten geschwärmt. Und am Schluss des Besuches hat er eine sehr zuversichtliche Prognose abgegeben: Die vergangenen beiden Jahre seien schwer gewesen - aber es habe dem Team gutgetan, dass man nach dem Klassenerhalt weiter auf Bruno Labbadia als Trainer gesetzt habe, urteilte der frühere Stürmer. "Ich hoffe, dass der VfL an die guten alten Zeiten mit der Meisterschaft oder dem Pokalsieg 2015 anknüpfen kann", sagte der inzwischen 39-Jährige, der in seiner Heimat Brasilien als TV-Experte tätig ist.

Es gibt tatsächlich gute Gründe dafür, dass man den Wolfsburgern eine bessere Zukunft vorhersagen kann. Nicht nur, weil das Team die Hinrunde auf Rang fünf abgeschlossen hat. Auch Marcel Schäfer, der vom Kapitän zum Sportdirektor aufgestiegen ist, ist ein Grund. Zusammen mit dem neuen Geschäftsführer Jörg Schmadtke, den er als seinen "Mentor" bezeichnet, gibt er ein harmonisches Führungs-Gespann ab. Gleichwohl hat Schmadtke in der Winterpause die Fans gewarnt, sich "in eine Glückseligkeit hinein zu quatschen". Die Bundesliga sei ein "kompliziertes Gebilde", schob er noch hinterher. Zum Beispiel, wenn wichtige Spieler ausfallen.

Genau das ist jetzt vor dem ersten Rückrundenspiel bei Schalke 04 am Sonntag der Fall. Stürmer Daniel Ginczek fällt wegen eines Bänderrisses am Sprunggelenk mindestens zehn Wochen aus; Kapitän Joshua Guilavogui wird wohl zwei Partien wegen einer Zerrung verpassen. Beides sind Profis, die zuletzt wesentlich dazu beitrugen, dass der VfL mit jenem der beiden vergangenen Jahre nicht mehr zu vergleichen ist. Zudem ist der Einsatz von Außenverteidiger William wegen eines Schlages gegen die Wade unklar. "Wenn Schlüsselspieler ausfallen, hat jede Mannschaft Probleme", sagt Trainer Labbadia.

Labbadias Motto: "Wir wollen es für den Gegner kompliziert machen"

Aber nicht nur wegen Ginczek und Guilavogui hat der VfL endlich wieder eine echte Mannschaft auf dem Platz, die Teamgeist lebt. Diese neuerdings "homogene Gruppe", wie Schmadtke es nennt, hat viel mit den Personalien des vergangenen Sommers zu tun. Schmadtke eruierte in den Vertragsgesprächen, ob die Spieler "die gleiche Idee vom Fußball" haben wie die neuen Kollegen und der Trainer. Dass die Zugänge Wout Weghorst (aus Alkmaar), Daniel Ginczek (Stuttgart) und Jérôme Roussillon (Montpellier) dem Team zu neuer Mentalität verholfen haben, will Schmadtke keineswegs bestreiten. Aber auch die Beförderung von Guilavogui zum Kapitän war ein guter Schachzug. Der Mittelfeldspieler, seit 2014 beim VfL, hat einen besonders integrativen Charakter. Auch ein "Wertesystem", das Schmadtke einführte, trug dazu bei, dass man intern besser miteinander umgeht.

Auf dieser Basis entwickelte Trainer Bruno Labbadia auch eine taktische Idee, die durchaus als VfL-typisch durchgehen darf. Die Mannschaft wechselt vom Stil mit Raute inklusive schnellem Rückzug zu einem 4-3-3-System so gut, dass auch und gerade Spitzenteams wie Leipzig oder Hoffenheim große Probleme damit hatten. Es wird spannend sein, ob Labbadia auf Schalke mit der Raute beginnt, wo der beim Coach nicht besonders hoch gehandelte Yunus Malli dann im Mittelfeld eine Alternative als Ballschlepper wäre, oder mit Weghorst als Mittelstürmer und Josip Brekalo (oder Renato Steffen) sowie Admir Mehmedi auf der Außenbahn spielt. Im anderen System spielt Mehmedi hinter der Spitze. "Wir wollen es für den Gegner kompliziert machen", sagt Labbadia vor dem Aufeinandertreffen mit seinem deutsch-italienischen Landsmann Domenico Tedesco.

Ob ein guter Rückrundenstart die Vertragsgespräche mit Bruno Labbadia beschleunigen, die eigentlich erst für den Frühling angekündigt wurden? Noch hat Labbadia ja mehr den Ruf des Feuerwehrmanns als den eines Entwicklungstrainers. Ob diese Einschätzung wirklich noch Gültigkeit hat, dürfte man bald klarer sehen. Zum Beispiel, wenn der Coach auch sportliche Dellen und Verletzungen wichtiger Spieler gut meistert. Dann ist es denkbar, dass der Geschäftsführer, dessen Devise gerne mit seinen Worten "ruhig, ganz ruhig" beschrieben wird, fast klammheimlich die Verantwortung für die kommende Saison weiter an Labbadia überträgt. Denn der passt bisher unerwartet gut zum neuen VW-Projekt.

© SZ vom 20.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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