Schalke - Leipzig (17.30 Uhr):"Das macht keinen Spaß - auch der Uefa nicht"

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Bejubeln sie ihren Klub bald auch in der Champions League? Leipzig hat da noch ein, zwei Dinge mit der Uefa zu klären. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Darf RB Leipzig trotz Konflikten mit den Regeln des Verbands in der Champions League antreten? Rechtsanwalt Thomas Dehesselles erklärt, was auf den Klub zukommt.

Interview von Sebastian Fischer, München

Der Jubel war groß am vergangenen Wochenende bei RB Leipzig: Seit dem 4:0 gegen den SC Freiburg steht die sportliche Qualifikation für die Champions League fest. Doch ob RB wirklich teilnehmen darf, wird die Uefa erst im Sommer entscheiden. Es geht um mögliche Verstöße gegen die sogenannte Financial-Fairplay-Regel und gegen Artikel 5 der Uefa-Bestimmungen, die "Integrität des Wettbewerbs", wonach nicht zwei Klubs zeitgleich im Europapokal antreten dürfen, die in der Führung oder Verwaltung oder durch Besitzanteile verwoben sind.

In Österreich führt Red Bull Salzburg souverän die Tabelle an - ein Klub, der nicht nur wegen seines namensgebenden Sponsors sehr eng mit RB Leipzig verwandt ist. Bis vor zwei Jahren war Ralf Rangnick Sportdirektor beider Klubs, zahlreiche Spieler wurden zwischen den Klubs transferiert, bis vor kurzem war Leipzigs Geschäftsführer Oliver Mintzlaff als "Head of Global Soccer" für alle Red-Bull-Fußballfilialen zuständig und hatte ein Büro in Salzburg, das er nun geräumt hat. Während die Verantwortlichen in Leipzig stets Gelassenheit betonten, wurde im Hintergrund daran gearbeitet, alle Bedingungen für eine Teilnahme rechtzeitig zu erfüllen. Die Frage ist: Reicht das, um die Uefa zu überzeugen?

Der Rechtsanwalt Thomas Dehesselles ist Experte für Lizenzierungsfragen im Fußball, berät Klubs und hält Vorträge zum Thema. Im Gespräch mit dem WDR nannte er eine Teilnahme Salzburgs und Leipzigs an der Champions League jüngst ein "sportpolitisches Desaster". Im SZ-Interview blickt er auf die Entscheidung voraus - und spricht über mögliche Sanktionen.

SZ: Herr Dehesselles, spielt RB Leipzig in der kommenden Saison in der Champions League?

Thomas Dehesselles: Sie werden klug genug sein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

RB Leipzig hat in den vergangenen Jahren mehr für Transfers ausgegeben als eingenommen und laut Jahresabschluss 2015 Verbindlichkeiten gegenüber Red Bull von 52,38 Millionen Euro. Verstoßen sie gegen das Financial Fairplay?

Ja, durchaus. Nicht mehr auszugeben als man einnimmt, das ist der Grundsatz. Die Regel sagt: Maximal fünf Millionen Euro Differenz, und falls die Grenze überschritten wird, liegt die Obergrenze bei 30 Millionen Euro, wenn ein Anteilseigner für das Geld eintritt. Das ist in Leipzig der Fall, da stehen großen Darlehen zu Buche. Wären sie jetzt zum dritten Mal dabei, würden sie sanktioniert: Transfersperren, Kaderbegrenzung. Beim ersten Mal passiert da im Regelfall nichts. Sie könnten die Auflage kriegen, einen Businessplan für ein paar Jahre zu erstellen, mit dem sie vorgeben, nicht ewig Schulden zu machen. Aber den werden sie in Leipzig in der Schublade liegen haben.

Gravierender wäre ein Verstoß wegen der Zusammenarbeit mit Salzburg.

Die Uefa will ausschließen, dass zwei Klubs, die unter Kontrolle einer Person stehen, in einem Wettbewerb aufeinandertreffen. Die Kontrolle hat beispielsweise, wer mindestens 30 Prozent vom Etat trägt oder Anteilseigner ist. Leipzig ist eine Red-Bull-Tochter (Red Bull gehören 99 Prozent der Profifußball-GmbH und 49 Prozent der Stimmanteile, Anm.). Aber in Salzburg ist Red Bull kein Anteilseigner mehr, hat nur noch einen gewöhnlichen Sponsorenvertrag (Alleingesellschafter ist der Verein, Anm.). Auch die Transfererlöse waren in den vergangenen Jahren hoch. Die Grenze wird in Leipzig überschritten, aber in Salzburg vermutlich nicht mehr. Man verbietet Adidas ja auch nicht, Anteilseigner beim FC Bayern zu sein und gleichzeitig Real Madrid auszustatten.

Bleibt das mögliche Problem personeller Verflechtungen.

Die Kontrolle hat auch, wer durch eine oder mehrere Personen in beiden Klubs das Sagen hat. Irgendjemand hat den Leipzigern auch das inzwischen erklärt. Es geht konkret um die Person Oliver Mintzlaff. Aber wenn er in Salzburg nichts mehr zu sagen hat, ist das Konstrukt auch personell formell entflochten.

Formell, sagen Sie. Aber Leipzig und Salzburg bleiben ja zwei Red-Bull-Klubs.

Red Bull Salzburg ist ein Geschöpf von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, und RB Leipzig genauso. Das bleiben zwei Kinder einer Familie, auch wenn sie volljährig sind. Und das macht keinen Spaß, auch der Uefa nicht. Aber die Uefa muss sich an ihren Regeln messen lassen. Einen so großen Markt wie diese Fußballwettbewerbe darf man als Monopolist nicht nach Bauchgefühl gestalten.

In der Vergangenheit haben Transfers die Kooperation beider Vereine veranschaulicht. Nun steht der Nachwuchs von Red Bull Salzburg im Finale der Youth League. Es ist ja gar nicht so unwahrscheinlich, dass Ralf Rangnick, ein großer Förderer junger Talente, in Salzburg für den einen oder anderen schon mal sein Interesse hinterlegt hat und auf ein Entgegenkommen hofft. Wäre das erlaubt?

Ralf Rangnick wird wahrscheinlich noch immer den ganzen Kader in Salzburg, bis zum Farmteam in Liefering, sehr genau beobachten. Die Uefa wird durchaus nachprüfen, ob zu enge Verbindungen weiter bestehen.

Was wird die Uefa konkret tun?

Sie wird einen Fragenkatalog schicken, und den wird RB beantworten und sich verpflichten müssen, nicht nur formell sondern auch inhaltlich getrennt von Red Bull Salzburg zu agieren - und es dann hoffentlich auch tun. Die Uefa wird genaue Zuordnungen verlangen, wer in Salzburg Entscheidungen trifft und wer in Leipzig. So etwas wie beim Transfer von Bernardo aus Salzburg nach Leipzig im vergangenen Jahr - als Ralf Rangnick nach Verkünden des Wechsels sagte, die Modalitäten würden später geklärt -, das wird es nicht mehr geben, da bin ich mir ziemlich sicher.

Was ist denn der Stichtag, an dem die Verflechtungen nicht mehr bestehen dürfen?

Das ist so genau nicht festgelegt. Letztlich kommt es drauf an, dass die Integrität gewährleistet ist, wenn die Klubs aufeinandertreffen können. Der 30. Juni würde reichen.

Trotz allem: Macht sich die Uefa nicht unglaubwürdig, wenn sie beide Klubs antreten lässt?

Die Uefa wird ihr Regelwerk schärfen und nachbessern, das steht 2018 wieder an. Es wäre durchaus plausibel, dass ein Namenssponsor eines Klubs dann einen anderen Klub nicht mehr finanzieren darf.

Könnte die Uefa nicht längst offen sagen, wie sie mit dem Fall umgeht?

Könnte sie. Aber es liegt ja noch kein offizieller Antrag auf Teilnahme vor. Es ist zum Beispiel nicht ausgeschlossen, dass Salzburg die Teilnahme gar nicht beantragt.

Die Aussagen aus Salzburg klingen allerdings nicht nach Verzicht. Glauben Sie, das wäre der letzte Ausweg?

Ein Verzicht wäre tragisch, aber das halte ich für eine realistische Option. Red Bull ist ja dabei, die Unterstützung in Salzburg zurückzufahren und Leipzig zu stärken. Unter Marketinggesichtspunkten ist in Österreich für Red Bull alles erreicht. So straff, wie bei Red Bull gearbeitet wird, halte ich es also für möglich, dass sie sich für den Besseren im Sinne des möglichen Erfolgs in der Champions League entscheiden, wenn abzusehen ist, dass es für beide nicht klappt. Aber in diesem Sommer dürfte es noch ohne einen solchen Schritt reichen.

© SZ vom 23.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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