Schalke 04:Generation Sauhaufen

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Wie wird die Nachwelt über Schalkes Generation 2006 urteilen? Der Eindruck des aktuellen Standes der internen Beziehungen lässt die Bezeichnung "Sauhaufen" als Beschönigung erscheinen.

Philipp Selldorf

Was macht eigentlich Peter Boltersdorf? Das mag sich jetzt der eine oder andere Schalke-Fan fragen, der noch in Erinnerung hat, dass sein Klub den Diplomsportlehrer Boltersdorf im Sommer als Fachmann fürs Teambuildung ins Trainingslager nach Österreich mitgenommen hatte. Er sollte dem bekanntermaßen schwierigen, weil notorisch egomanischen Ensemble helfen, soziale Werte wie Mannschaftsgeist und Gemeinschaftssinn zu entwickeln. Kein leichter, aber ein machbarer Prozess, wie Manager Andreas Müller meinte. Zur Veranschaulichung zog er ein Beispiel aus der goldenen Vergangenheit heran: "Die Eurofighter von 1997" - Gewinner des Uefa-Cups - "gelten ja als verschworene Einheit, als Paradebeispiel für eine Mannschaft. Aber 1993 waren wir noch ein Sauhaufen."

Wie wird die Nachwelt über Schalkes Generation 2006 urteilen? Der Eindruck des aktuellen Standes der internen Beziehungen lässt die Bezeichnung "Sauhaufen" als Beschönigung erscheinen. Und Boltersdorf, der als Honorarkraft nur gelegentlich für Schalke gearbeitet hat, ist zu bedauern, dass sein Name mit der Mannschaft in Verbindung gebracht wird. Auch für ihn wirkt sich die ziemlich einzigartige, trotzdem beispielhafte Affäre Asamoah rufschädigend aus.

Umgang mit Asamoah-Äußerungen problematisch

Dabei sind nicht die Äußerungen des Nationalspielers Gerald Asamoah der Kern des Problems, sondern der Umgang mit ihnen und die von Manager Müller und Trainer Mirko Slomka zu verantwortenden Folgewirkungen für die Firma Schalke 04. Ein Zwiegespräch, das Asamoah mit dem Mitspieler (und Sturmrivalen) Halil Altintop geführt hat, wird zu einem öffentlichen Vorgang erklärt und zum Anlass einer demonstrativen Strafaktion durch die sportliche Leitung. Als Grundlage der Ermittlungen gegen Asamoah dienen Hörensagen-Berichte von Mannschaftskollegen und Hinweise aus Altintops Berateragentur Rogon, die acht Spieler in Schalke vertritt - darunter drei Fünftel des Mannschaftsrates. Dieser Vorgang ist definitiv nicht team- sondern zwietrachtbildend, und er schärft auch nicht die Autorität des Managers und des Trainers. Er schafft bloß Vertrauensverlust.

Die hoch veranlagte Schalker Mannschaft ist das sportliche Betriebskapital, von dem das gesamte, mit 255 Millionen Euro Schulden belastete Geschäftsmodell abhängt. Da kann man schnell nervös werden, wenn Probleme auftauchen. Aber womöglich haben die Probleme erst jetzt begonnen, und bei Fortsetzung der Krise heißt Slomkas Widersacher nicht mehr Gerald Asamoah, sondern Christoph Daum.

© SZ vom 19.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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