Schalke 04:Freunde im Geist von Gazprom

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Der Vertrag von Schalke und dem Energiekonzern wird unter scharfen Sicherheitsmaßnahmen unterzeichnet.

Javier Cáceres

Als die Entourage des FC Schalke 04, eine gute halbe Stunde nach ihrer Landung in Dresden, das Fünfsterne-Hotel betrat, in dem sie den lukrativsten Sponsorenvertrag der Vereinsgeschichte unterzeichnen wollten, taten sie dies vor den Augen zahlreicher Schaulustiger - und unter verschärften Sicherheitsbedingungen.

Zahlreiche Geheimdienstleute aus Deutschland und Russland, die ihre Augen wie in diesen Kreisen üblich hinter Sonnenbrillen versteckten, schlichen ums und im Hotel herum, und auf dem Grünen Gewölbe, dem Haupteingang schräg gegenüber, hatten sich Scharfschützen mit vermummtem Gesicht postiert, die Präzisionsgewehre auf dem Dachvorsprung ruhend. Auch ein roter Teppich war ausgerollt worden.

Doch galt diese Aufmerksamkeit nicht der von Klubpräsident Gerhard Rehberg und dem Aufsichtsrats-Vorsitzenden Clemens Tönnies angeführten königsblauen Delegation, sondern dem Mann, vom es einmal geheißen hatte, er würde der Unterzeichnung des millionenschweren Vertrages beiwohnen: Russlands Staatspräsident Wladimir Putin.

Russischer Staat ist Mehrheitseigner

Abwegig war das nicht. Der neue Partner Schalkes ist der russische Energiekonzern Gazprom, und dort hat Putin, früher als KGB-Agent in Dresden stationiert und am Mittwoch im Rahmen des ,,Petersburger Dialogs'' in Sachsen zu Gast, ein Wort mitzureden.

Der russische Staat hält an Gazprom eine Kontrollmehrheit von 50 Prozent plus eine Aktie; der Gazprom-Vorstand gilt als äußerst Kreml-nah. Die Zeit berichtete vor Monaten, in der ,,Gerüchteküche Moskaus'' brodele zurzeit die Version, Putin könnte nach seiner Amtszeit als Präsident den von ihm installierten Alexej Miller als Gasprom-Chef beerben.

In einer Vorab-Mitteilung von Schalke und Gazprom wurde die Laufzeit des Vertrages bis 2012 bestätigt, ebenso die Kooperation mit dem russischen Erstligisten Zenit St. Petersburg. Zur Dotierung schwieg sich das Kommuniqué erwartbar aus.

Dem Fachmagazin kicker zufolge hat Gazprom eine jährliche Garantiesumme von zwölf Millionen Euro zugesichert, die sich im sportlichen Erfolgsfall auf 20 Millionen Euro erhöht. Das wäre annähernd die Summe, die der Traditionsverein jährlich für Zins und Tilgung für den Stadion-Neubau sowie zur Rückzahlung einer Anleihe (85 Millionen Euro) aufwenden muss. Die Verbindlichkeiten Schalkes liegen bei etwa 190 Millionen Euro.

,,Mit dieser Partnerschaft stoßen wir in eine neue Dimension vor'', erklärte Aufsichtsratschef Tönnies, der den Deal über seinen sozialdemokratischen Parteifreund und Putin-Intimus Gerhard Schröder eingestielt hatte. ,,Einen besseren Partner als Schalke 04 hätten wir nicht finden können, um unsere Bekanntheit in Deutschland nachhaltig positiv zu steigern'', sagte Hans-Joachim Gornig, Geschäftsführer der deutschen Gazprom-Tochter ZGG.

Diese Gesellschaft hatte zu Beginn der Saison einen weit geringer dotierten Co-Sponsoring-Vertrag mit Hertha BSC Berlin abgeschlossen. Alexej Miller ließ über Schalke 04 verlauten, dass ,,das Image des Klubs, seine Geschichte, seine einzigartige Verbundenheit mit den Fans und die internationalen Ambitionen der Mannschaft dem Geist von Gazprom entsprechen''.

S04-Präsident Rehberg unterstrich, dass die Patronage keine Auswirkungen auf die Vereinspolitik haben wird. Die Zusammenarbeit werde eng sein, ,,Schalke bleibt aber eigenständig'', wurde Rehberg in der Pressemitteilung zitiert, Gazprom nehme ,,keinen Einfluss auf das operative Geschäft oder sportliche Entscheidungen'', fügte er hinzu. Im Klartext: Anders als der bisherige Hauptsponsor Victoria wird Gazprom keinen Sitz im Aufsichtsrat haben.

Ost-Tribüne heißt künftig Gazprom-Tribüne

Der Deal sieht jedoch vor, dass die Osttribüne in Gazprom-Tribüne umbenannt wird. Der Betrag, der nun aus der russischen Gas-Pipeline in Schalkes Schatullen gepumpt wird, ist um fünf Millionen Euro höher als die Summe, die Victoria bislang bezahlte. Den Ausstieg sehe man ,,mit einem weinenden Auge'', sagte Victoria-Chef Michael Rosenberg. Man habe das Hauptziel, die Markenbekanntheit zu erhöhen, erreicht, die Möglichkeit, sie nach fünf Jahren weiter zu steigern, ,,sind eher begrenzt''.

Schon zur Rückrunde wird das Logo des Versicherungskonzerns vom Schalke-Jersey verschwunden sein, der Vertrag mit Gazprom beginnt zum 1. Januar. Damit kommt Schalke zu einer weiteren Nebeneinnahme: Durch die vorzeitige Ablösung des erst zu Beginn dieser Spielzeit neu eingeführten Heimtrikots dürfte sich mancher Anhänger animiert fühlen, ein aktuelles Hemd mit dem Gazprom-Schriftzug zu kaufen.

Dass Schalke 04 in Zukunft im Stile von Roman Abramowitschs FC Chelsea den Transfermarkt abgrast, gilt als unwahrscheinlich. Zum einen soll das Geld jährlich in die Etats eingespeist werden und nicht etwa schon im Voraus fließen (und wieder ausgegeben werden), wie dies in der Branche durchaus vorkommt. Finanzchef Joachim Schnusenberg soll sich zudem mit der Vorstellung durchgesetzt haben, die frischen Millionen vornehmlich zur Tilgung der langfristigen Schulden aufzuwenden.

© SZ vom 11.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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