Saisonfinale im Ski alpin:Meister des ersten Laufs

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Rebensburg siegt zum Abschluss im Riesenslalom. Aber das Team muss noch einiges verbessern.

Von Johannes Knuth, St. Moritz/München

Der Hang, auf dem sie am Wochenende in St. Moritz den Slalom fuhren, ist ziemlich flach. Er ist also ziemlich tückisch, schwerer zu zähmen als manche Eisrampe. Weil der Fahrer das Tempo, das ihm sonst vom Steilhang geschenkt wird, selbst erzeugen muss, mit jeder Faser des Körpers. Es ist ein Hang für den Schweden André Myhrer, den Tagessieger am Sonntag, und für Marcel Hirscher, der nicht nur aus jedem Schwung, sondern aus jedem Winter das Maximum kitzelt und am Sonntag zum fünften Mal in Serie Gesamtweltcup-Sieger wurde. Es ist eher kein Hang für: Fritz Dopfer und Felix Neureuther, die Deutschen.

"In Schulnoten war das heute ne' Drei minus", sagte Neureuther, am Sonntag Zehnter, sieben Ränge vor Dopfer, er fügte an: "Der letzte Punch hat einfach gefehlt. Es wird Zeit, dass die Saison vorbei ist."

Der alpine Skiwinter ist seit Sonntag offiziell beendet. Die Fahrer fühlen sich oft wie am letzten Schultag, beladen mit Erleichterung und Wehmut. Auch, weil sie im Deutschen Skiverband auf eine Saison zurückblicken, die sie "ein bisserl hin- und herreißt", wie Alpindirektor Wolfgang Maier sagt. Viktoria Rebensburg gewann am Sonntag den Riesenslalom, es war ihr dritter Saisonsieg. Das starke deutsche Technik-Ressort der Männer bewegte sich am Wochenende derweil geschlossen im Mittelfeld, sie beschließen ihre Saison mit einem Sieg (Neureuther im Slalom von Naeba) und vier Podien. Nur vier Podien, so sehen sie das im DSV mittlerweile. Im Oktober, zum Anbruch der Saison, hatte Maier beschlossen, langfristig die "weltbeste Technikmannschaft" aufzubauen. Der Winter bestärkte ihn in seinem Vorhaben, wenn auch meistens nur im ersten Lauf. Im zweiten fielen die Deutschen oft aus dem Kreis der Besten, zehn Mal entglitt ihnen eine Podestplatzierung. "Wir sind", sagt Maier, "so ein wenig die Mannschaft der Herzen des ersten Durchgangs."

0,05 Sekunden: Viktoria Rebensburg verpasst beim Weltcup-Abschluss in St.Moritz den Gesamtsieg im Riesenslalom knapp. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Früher war die Zeitenlehre des Skifahrens recht einfach, wer Missgeschicke in seine Fahrt einbaute, fiel zurück, wer fehlerfrei fuhr, verteidigte seinen Vorsprung. Heute ist eine fehlerfreie Fahrt oft nicht gut genug. Die Hirschers, Kristoffersens, Pinturaults, "die gehen im zweiten Lauf ans absolute Limit", sagt Maier. Wie bei einem einminütigen Tanz auf einem Seil, ohne hinunterzufallen. Die Deutschen? Fritz Dopfer gewann drei Mal den ersten Durchgang, fiel stets zurück. Stefan Luitz fand zu beachtlicher Konstanz, ihm fehlen aber noch immer körperliche und technische Ressourcen, um zwei Läufe lang am Limit zu tanzen. Neureuther sicherte sich am Sonntag Platz drei in der Slalomwertung, der 31-Jährige nutzte den Winter aber vor allem, um zu lernen, ob das geht: ohne Schmerzdämmer zu fahren, den chronisch maladen Rücken mit neuen Übungen zu stärken. Im Sommer waren sie nicht sicher, ob er mit diesem Geschäftsmodell bis zu den Winterspielen 2018 in Südkorea durchhalten würde. Mittlerweile glaubt Neureuther: "Es funktioniert."

Wolfgang Maier weiß, dass er gerade "auf hohem Niveau" leidet. In diesem Winter erwirtschafteten die Männer 35 Plätze in den Top Ten, das gab es noch nie. Auch dank der Speed-Abteilung, dank Andreas Sander, der die beste Saison seiner bisherigen Karriere aufführte, nachdem die Mannschaftskapitäne Tobias Stechert und Josef Ferstl sich früh verletzt hatten. "Man respektiert die deutschen Abfahrer wieder", hat Maier festgestellt, vor allem dank der Entwicklungshilfe von Christian Schwaiger und Cheftrainer Mathias Berthold. Und beinahe hätte Maier am Sonntag noch einen Gesamtsieg moderieren dürfen, bei den Frauen, am Ende fehlten fünf Hundertstelsekunden.

Viktoria Rebensburg hatte am Sonntag nach zwei Fahrten die Führung übernommen. Brem, die Österreicherin, musste mindestens Vierte werden, für den Sieg im Riesenslalom-Weltcup. Sie wurde dann Vierte, gerade so. "Eva hat es verdient, sie war sehr konstant über die ganze Saison hinweg", sagte Rebensburg, die diese Konstanz erst in der zweiten Saisonhälfte gezeigt hatte. "Sie kann wieder regelmäßig gewinnen", sagt Maier, "aber das war bei den Frauen auch das einzig Positive." Vor der Saison hatte er die Kadergruppen im Speed- und Technikressort zu zwei großen Lerngruppen zusammengefasst, die Jungen sollten von den Arrivierten lernen, die Arrivierten wiederum kitzeln. "Ich bin überzeugt, dass die Änderungen richtig waren. Aber wir haben es einfach nicht geschafft, diesen Spirit, den wir wollten, reinzubringen", sagt Maier. Der beste Ertrag hinter Rebensburg war ein neunter Platz von Maren Wiesler, im Parallelslalom von Stockholm. Sie hatten viel Raum zum Wachsen, und in diesen Raum, findet Maier, sind sie zu selten vorgestoßen.

Maier wird bad wieder etwas an den Strukturen justieren, er betont aber auch, dass es schon auch den einen oder anderen Wachstumsschub gegeben habe, kurz vor dem Saisonfinale. Elisabeth Willibald, 19, wurde im Slalom Junioren-Weltmeisterin, die erste im DSV seit sechs Jahren.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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