Rumänien:Mann der Tugend

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Christoph Daum (hier beim internationalen Trainerkongress in Fulda im Juli) ist ein begnadeter Rethoriker. Als Nationaltrainer Rumäniens soll er die EM-Qualifikation schaffen. (Foto: Martin Hoffmann/imago)

Christoph Daum hat sich einen Traum erfüllt: Er ist jetzt Nationaltrainer. In Rumänien will er alte Geister wecken - mit seinen alten Methoden.

Von Johannes Kirchmeier, München

"Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe." Die Älteren werden sich erinnern, die jungen Youtube-Gucker vielleicht auch. Google vervollständigt den Satz ab der Eingabe "Ich tue da..." von selbst. Der Satz stammt aus dem Jahr 2000 - vom damaligen Trainer von Bayer 04 Leverkusen Christoph Daum. Er war kurz davor, auf dem Höhepunkt seiner Trainerkarriere anzukommen, deutscher Bundestrainer zu werden. Daum sagte das, als er eine Haarprobe in Auftrag gab, um nach Anspielungen von Uli Hoeneß, Daum würde Drogen nehmen, seine Unschuld zu beweisen.

Das Ende ist bekannt, in einer weiteren Pressekonferenz sagte Daum später: "Ich gebe hier klar und offen zu, dass ich mit Drogen in Kontakt gekommen bin. Ich habe Kokain zu mir genommen. Die Haaranalyse, die ich hab machen lassen, muss man im Nachhinein sagen, das war ein Fehler." Daum ist natürlich nicht Bundestrainer geworden, Rudi Völler blieb DFB-Teamchef.

"Hochgeschwindigkeitsentscheidungen" als neue Herausforderungen

16 Jahre später, die Erinnerungen an 2000 sind vergilbt, steht Daums Name nun endlich auf dem Spielberichtsbogen eines Länderspiels. Am Sonntag startet der inzwischen 62-Jährige in die EM-Qualifikation gegen Montenegro, allerdings nicht mit dem DFB-Team, sondern mit Rumänien: "Eines meiner Ziele war immer, mit einer Nationalmannschaft an einer EM oder WM teilzunehmen, weil dort in einer kurzen Zeit alles bestmöglich präsentiert werden muss. Diese Hochgeschwindigkeitsentscheidungen stellen für mich eine neue Herausforderung dar", sagte Daum in einem Interview mit der PR-Abteilung der Fifa.

Vereine hat er genügend trainiert, oft mehr, mal aber auch weniger erfolgreich. Während er mit dem VfB Stuttgart 1992 deutscher Meister wurde und mit dem 1. FC Köln und Bayer Leverkusen um Meisterschaften kämpfte, stieg er mit Eintracht Frankfurt ab, seinem bisher letzten Klub in Deutschland. Seine große Stärke, die Spieler zu motivieren, schien damals schon nicht mehr so richtig zu verfangen.

Nun, als ausgeruhter 62-Jähriger, der zwei Jahre keine Mannschaft trainiert hat, versucht er sich also im ausgeruhteren Nationaltrainerjob. Ein großes Ziel hat er sich gesetzt: "Die WM-Qualifikation! Ich bin davon überzeugt, dass Rumänien nach 20 Jahren wieder an einer WM teilnehmen wird." Seit 1998, der WM in Frankreich, misslangen alle Versuche seiner Vorgänger. Der Verband hat in Daum nun erstmals einen ausländischen Trainer verpflichtet, der die Leichtigkeit zurück in den rumänischen Fußball bringen soll, die das Team 1998 um den damaligen Spielmacher Georghe Hagi von allein beherrschte. "Rumänische Spieler standen immer für attraktiven und erfolgsorientierten Fußball. Immer anzugreifen, ob mit oder ohne Ball, war eine rumänische Tugend", sagt Daum.

"Es liegen zehn schwierige Finalspiele vor uns"

Nur ist das halt nicht mehr so. Daum wird diese Tugend mit seinem Team wieder erarbeiten müssen. Und wie hart er dafür arbeiten muss, offenbarte sich bei der EM 2016, als Rumänien in der Gruppe mit Gastgeber Frankreich, der Schweiz und Albanien nur einen Punkt holte und als Letzter ausschied. In der anstehenden WM-Qualifikation für das Turnier in Russland treffen die Rumänen neben Montenegro, Armenien und Kasachstan auf die stärker eingeschätzten Polen und Dänemark. "Es liegen zehn schwierige Finalspiele vor uns, in denen wir immer wieder über unsere jetzigen Grenzen gehen müssen, um als Sieger den Platz zu verlassen", sagt Daum, der alte Motivator.

Und der alte Pedant, die zweite Eigenschaft, die Daum als Coach immer auszeichnete, hat sich vorbereitet: "Ich weiß alles Notwendige über unsere Qualifikationsgegner", sagt er. Er hat ein absolut reines Gewissen vor dem Start in seine erste Aufgabe als Nationaltrainer.

© SZ vom 04.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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