Rudern:Mit Wut im Wind

Lesezeit: 3 min

Eine Herausforderung am Rotsee ist der wechselnde Wind, besonders für den Ruder-Achter. (Foto: Philipp Schmidli/Getty Images)

Beim Weltcup-Finale auf dem Rotsee müssen sich die Teams plötzlich auf heftigen Gegenwind einstellen. Das ändert auch im Achterrennen alles.

Von Joachim Mölter, Luzern

Die Sonne schien am Samstag noch genauso heiß vom blauen Himmel wie tags zuvor, nur der Wind hatte sich gedreht auf dem Rotsee, der traditionsreichen Ruder-Regattastrecke bei Luzern: Er blies den bekanntlich entgegen ihrer Fahrtrichtung im Boot sitzenden Athleten nun in den Rücken, sie hatten also Gegenwind. "Das ist ungewöhnlich hier bei einem Hochdruckgebiet", sagte Ralf Holtmeyer, der Trainer des ruhmreichen Deutschland-Achters, nachdem sein Boot am Vormittag von einer Trainingsausfahrt zurückgekommen war.

Holtmeyer kennt den Rotsee und dessen besondere Bedingungen von vielen Besuchen, der Wechsel der Windrichtung macht ihm etwas Sorgen. Er verändert die ganze Taktik für den Endlauf beim Weltcup-Finale am Sonntag (15 Uhr), für den sich seine Crew am Freitag als Vorlaufschnellste qualifiziert hat. Durch den bremsenden Wind wird die Renndauer länger, eine halbe Minute oder sogar mehr, schätzt Holtmeyer; da muss man eine andere, eher langsamere Frequenz anschlagen, sich die Kräfte anders einteilen, darf sie nicht zu früh vergeuden. Schon gar nicht, wenn man es in diesem Finale mit dem britischen Achter zu tun bekommt, "the boat to beat", wie sie auf der Insel sagen: das Boot, das es zu besiegen gilt.

Mit Signalwirkung für die Olympia-Saison

Großbritannien gegen Deutschland, das ist seit Jahren ein prickelndes Duell im Männer-Achter, der Königsklasse des Ruderns, es wird auch beim Weltcup-Finale in Luzern der Höhepunkt sein. 2009, 2010 und 2011 holte der Deutschland-Achter den WM-Titel, bei den Olympischen Spielen 2012 in London krönte er seine Erfolgsserie mit dem Gewinn der Goldmedaille. Den ambitionierten Briten war bei ihrem Heimspiel am Ende die Kraft ausgegangen, sie waren zu schnell angegangen und wurden am Ende hinter Kanada nur Dritter. Aber seitdem hat sich der Wind gedreht, bei den Weltmeisterschaften 2013 und 2014 waren die Briten jeweils vor den Deutschen. Die wollen in diesem Jahr den Trend wieder umkehren und sich bei der WM in Aiguebelette/ Frankreich (30. August bis 6. September) den Titel zurückholen. "Wer im vorolympischen Jahr stabil rudert, der hat schon eine gute Ausgangsbasis und kann selbstbewusst in die Olympia-Saison gehen", sagt Holtmeyer.

Selbstbewusstsein holt man sich auch im Rudern durch Siege, insofern sind die Briten derzeit im Vorteil. Von den drei Vergleichen in dieser Saison haben sie die letzten zwei gewonnen, beim Weltcup in Varese und vorige Woche bei der prestigeträchtigen Henley-Regatta auf der Themse. Der Rückstand von zweidreiviertel Bootslängen war deutlich und hat die deutschen Achter-Fahrer frustriert. "Die Briten haben uns überrannt", sagte Maximilian Reinelt, einer der Übriggebliebenen aus dem Gold-Boot von London. Trainer Holtmeyer wies zwar auf die Besonderheiten bei dieser Flussfahrt hin, bei der die gastgebenden Briten mehr Erfahrung haben, gab aber zu: "Es war ärgerlich, wie wir den letzten Abschnitt gestaltet haben - da haben wir resigniert."

Souveräner Erfolg im Vorlauf

Im Vorlauf von Luzern am Freitag rehabilitierten sich die deutschen Achter-Ruderer nun wieder, da kamen sie zu einem souveränen Start-Ziel-Sieg vor Australien und Neuseeland. "Man hat auf den ersten 1000 Metern gemerkt, dass eine Menge Wut dabei war", sagte Schlagmann Hannes Ocik. Auch Bundestrainer Holtmeyer war von dem Auftritt seiner Mannschaft auf der ersten Streckenhälfte beeindruckt: "Die ersten tausend Meter unter 2:40 Minuten in Luzern - das ist schon eine Ansage."

5:25,74 Minuten benötigte der Deutschland-Achter für die gesamte 2000-Meter-Distanz, rund dreieinhalb Sekunden weniger als die Briten bei ihrem Sieg im zweiten Vorlauf vor Polen und Frankreich. "Die Zeiten sind zweitrangig", fand Ocik: "Der Sieg heute war wichtig fürs Selbstvertrauen. Wir können sagen, wir haben es drauf." Sein Mitfahrer Maximilian Munski bestätigte: "Es war sehr wichtig, dass wir wieder in unseren Rennrhythmus gefunden haben." Und Holtmeyer resümierte: "Diese Reaktion war wichtig nach dem leichten Formeinbruch zuletzt. Das war nicht gerade selbstverständlich."

Trotzdem ist er nicht sicher, ob es am Sonntag für einen Erfolg über die Briten reicht, der ja auch schon richtungweisend für die WM wäre. "Wir sind schon stärker als im vorigen Jahr", sagt Holtmeyer, "die Briten aber auch." Und dank ihrer jüngsten Erfolge über den Deutschland-Achter haben sie wahrscheinlich auch mehr Selbstvertrauen.

© SZ vom 12.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: