Robert Huth:Zurück auf Los

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Der Krisengewinnlerverlierer: Robert Huth spielt in der U21.

Christof Kneer

Manfred Schulte hat sich gut amüsiert am Donnerstagmorgen. Er hat ja gewusst, dass er im kicker ein Interview finden würde, aber es hat seine Erwartungen noch übertroffen. Die schönste Frage heißt zum Beispiel: Hat er nicht? Und die schönste Antwort heißt: Nein.

Ein Bild von einem Mann: Robert Huth, derzeit nur in der U21 zu bewundern. (Foto: Foto: rtr)

Für Robert Huth ist es ein Pech, dass es Lukas Podolski gibt. Er könnte sonst beim Guinness-Buch anrufen und einen offiziellen Weltrekordversuch im Kurzantworten anmelden, aber leider haben sie diesen Wettbewerb inzwischen aus der Wertung genommen, weil Podolskis Rekord (1000 Antworten in 10 Minuten) für alle Zeiten als unschlagbar gilt. "Aber Robert kann das auch ziemlich gut", sagt Manfred Schulte. Schulte ist Huths Berater, und in dieser Eigenschaft hat er zuletzt auch etliche Interviews mit ihm geführt. Grob gesagt war es so, dass die Interviews um die Frage Robert, willst du Chelsea verlassen? kreisten; und dass die Antwort Nein hieß.

Talent und Alleskönner zugleich

Robert Huth spielt beim mutmaßlich besten Verein Europas, das ist keine neue Nachricht. Neu ist dagegen, dass seine Kollegen in der Abwehr vorerst Patrick Ochs, Marvin Matip oder Markus Brzenska heißen und sein Trainer Dieter Eilts. Robert Huth ist zurück auf Los, er ist wieder da, wo er hergekommen ist. Er verteidigt für Deutschlands U21, am Freitag gegen Aserbaidschan und am Dienstag gegen England, und unter normalen Umständen ist das nichts Ungewöhnliches für einen Mann, der gerade 21 geworden ist. Nur gibt es keine normalen Umstände mehr, seit die WM 2006 das Land geflutet hat, und derzeit scheint es, als würde Huth von der Welle der Erwartungen einfach weggeschwemmt. "Von Robert und auch von Per Mertesacker werden Dinge erwartet, die man vielleicht von einem 26-Jährigen erwarten kann", sagt Schulte. "Sie sollen Talente sein und gleichzeitig alles können. Sie sollen mal eben Weltmeister werden."

Vielleicht gibt es das manchmal: dass ein Weg zu frei ist. Es schien ein historischer Glücksfall zu sein für Huth, als das Land der Manndecker plötzlich feststellte, dass es gar keine Manndecker mehr gibt. Anderswo wuchsen längst moderne Viererkettenverteidiger, und die einzigen modernen Abwehrspieler, die das Manndeckerland auf die Schnelle auftreiben konnte, waren die 20-Jährigen. "Jetzt rächt es sich, dass Deutschland in den Neunzigern die Jugendarbeit vernachlässigt hat", sagt Schulte, "die Generation des gestandenen Spielers fehlt völlig. Die Zeit von Robert und Per dürfte doch eigentlich erst nach der Euro 2008 kommen."

Tapsiger, immerfoulender Retrorecke

Der Fall Huth zeigt exemplarisch, was passieren kann, wenn Spieler Aufgaben übernehmen müssen, denen sie noch nicht gewachsen sind. Er war der Krisengewinnler, jetzt ist er der Krisengewinnlerverlierer. Vor einem Jahr wurde er noch als zweikampfstarker, stellungssicherer Neuzeitverteidiger bestaunt; seit dem Confed-Cup gilt er als tapsiger, immerfoulender Retrorecke, der in die U21 strafversetzt wurde - wobei die Personalie offiziell als Spielpraxisbeschaffungsmaßnahme firmiert.

In der Tat ist es so, dass Huth vorwiegend über Sitzpraxis verfügt. Er ist nur der viertbeste Innenverteidiger in seinem Klub, hinter den Nationalspielern Terry (England), Gallas (Frankreich) und Carvalho (Portugal), und beim DFB sehen sie es nicht so gern, dass Huth sich gut gemeinten Ratschlägen verweigert. Man müsse im WM-Jahr Stammspieler sein, haben Klinsmannbierhofflöw oft gesagt und meistens Huth gemeint. Wäre es nicht die Pflicht des Beraters, seinem Klienten die WM zu retten? "Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, den Spieler zu etwas zu drängen, was er nicht will", sagt Schulte. "Man darf eine Karriere auch nicht übers Knie brechen. Nach der WM geht es für Robert erst richtig los, und ich bezweifle, dass es der Karriere nützt, wenn er sich nach Nürnberg oder Wolfsburg ausleihen lässt." Ohnehin, sagt Schulte, würde Chelsea den bis 2008 gebundenen Profi nicht verkaufen - "nach den neuen Uefa-Regelungen müssen Champions-League-Klubs in den nächsten Jahren bis zu vier Profis haben, die sie selbst ausgebildet haben, und da hat Chelsea außer Terry nur den Robert."

Aber was, wenn Huth in London auch künftig nur sitzende Tätigkeiten verrichten darf? Natürlich, sagt Schulte, gebe es weiterhin "einen Plan B". Und wenn Huth dann im Winter nach Nürnberg oder Wolfsburg wechselt, gibt er bestimmt wieder ein Interview.

© SZ vom 2.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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