Robert Glatzel:Ranger in der Wildnis

Lesezeit: 3 min

Hatte Grund zum Jubeln: Heidenheims Stürmer Robert Glatzel nach seinem dritten Tor gegen Bayern München. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Heidenheims Stürmer glänzt bei der Rückkehr in seine Geburtsstadt München mit drei Treffern - und legt dabei die Schwächen der Bayern-Abwehr offen.

Von Johannes Kirchmeier, München

Mit großen Augen empfingen sie ihren Helden. Sie konnten es wohl selbst noch nicht ganz glauben, was er an diesem Abend der Ekstase kurz zuvor vollbracht hatte. Am Zaun der Münchner Arena traf der Heidenheimer Angreifer Robert Glatzel seine Familie und seine Freunde nach dem Spiel wieder. Sie umarmten sich: Glatzels Moment der Ruhe neben dem Rasen. Bevor er wieder seine Aufgaben erledigen musste: Mitspieler abklatschen, Interviews geben. Dabei sprach er mit einem Lächeln über die Begegnung am Zaun. Seine Familie habe ihm die nötige Kraft für diese Partie gegen den FC Bayern gegeben, und doch wirkte er etwas traurig, zumindest einen Moment lang. "Mein Vater ist auch hier, aber den habe ich nicht gesehen."

Glatzel ist Münchner, deswegen waren sie ja alle gekommen, seit der Auslosung hatte der 25-Jährige diesem Tag entgegengefiebert - um nun der Stadt zu zeigen, was für ein starker Stürmer er ist. Er hat Jahre dafür gebraucht, beim TSV 1860, der SpVgg Unterhaching und beim SV Heimstetten setzte er sich nicht durch, selbst auf Amateur-Ebene war er zeitweise als "Chancentod" verschrien. Doch dieser Chancentod kam gestärkt aus dem Ostwürttemberger Exil zurück - und schoss drei Tore gegen den FC Bayern in dessen Arena. Die Letzten, denen das gelang, waren Düsseldorfs Dodi Lukebakio und Schalkes Ebbe Sand. "Robert Glatzel war in Überform", sagte sein Trainer Frank Schmidt.

Er übertrieb nicht: Dass die grandiosen Heidenheimer den großen FC Bayern beim 4:5 ganz nahe ans Ausscheiden brachten in diesem DFB-Pokal-Viertelfinale, das lag vor allem an Glatzel. "Das war ein Spiel für die Ewigkeit", sagte er. "Wir haben soooo geil gespielt!" Damit meinte er nicht nur die gnadenlose Effektivität des Zweitligisten, sondern auch die Umsetzung eines großen Plans. Trainer Schmidt, einst als Libero ein Vestenbergsgreuther FC-Bayern-Besieger, sagte: "Wir haben es uns so vorgestellt, dass wir so ein wildes Spiel bekommen. Dass wir es schaffen, über Leidenschaft und unheimliche Arbeit in der Defensive das Spiel offen zu halten."

Permanent Unruhe schaffen, die Bayern zu Fehlern zwingen und selbst davon profitieren: Inmitten dieser provozierten Wildnis stand dann immer dieser kühne Ranger Glatzel, der mit seinen 1,93 Metern den Überblick behielt. Das Kuriose war ja: Glatzel ist in etwa gleich groß wie Mats Hummels und Jérôme Boateng - doch die Kopfballduelle gewann meist er, und am Boden ließ er die beiden gleich noch mal ein paar Jahre älter aussehen, als sie sind.

Fußballdeutschland kennt jetzt Heidenheim - und den Mittelstürmer Glatzel

"Man denkt dann gar nicht mehr daran, dass das Weltmeister sind, gegen die man da spielt", sagte Glatzel. Und wenn man ihn so sah, wie er schonungslos deren Schwächen offenlegte, schlossen sich die Zuschauer bald seiner Empfindung an.

Mit zwölf Toren in der zweiten Liga war er angereist, dann überwand er dreimal Sven Ulreich, erst per Kopf zum 1:1. Und später, als die Partie schon verloren zu sein schien, drehte er erst richtig auf. Aus 16 Metern schoss er das 3:4. "Wir haben unsere Aktien zu jeder Zeit im Spiel gehalten. Wir haben so eine Mentalität, dass wir wirklich erst aufhören, das Spiel zu spielen, wenn es abgepfiffen ist", sagte Schmidt. Eine Viertelstunde vor dem Ende glich Glatzel mit einem Elfmeter erneut aus, als er den Ball im Panenka-Style ins Tor schnibbelte. Den Schneid muss man erst einmal haben.

Schon im Abschlusstraining hatte er so gegen den FCH-Torwart Kevin Müller getroffen, aber dass sich der Kollege das auch in der Arena traut, das hätte auch Müller nicht für möglich gehalten. "Nach zwei Toren war das Selbstbewusstsein groß und ich mir sicher, dass der Torwart spekuliert", sagte dagegen Glatzel.

"Wir haben heute eine Visitenkarte abgeben können, was Heidenheim ausmacht. Es hat Spaß gemacht, es war ein Wahnsinnsabend mit dem falschen Ergebnis", sagte Trainer Schmidt dann noch. Ganz Fußballdeutschland kennt jetzt das heldenhafte Heidenheim - und den Mittelstürmer Robert Glatzel. Inzwischen, so heißt es in der Branche, sollen Werder Bremen und der VfB Stuttgart an ihm interessiert sein.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: