Reitsport:Chipmunk muss umziehen

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Im Jahr vor Olympia lassen sich für Pferde hohe Preise erzielen - Wallach Chipmunk landete bei Olympiasieger Michael Jung.

Von Gabriele Pochhammer, München

Das Jahr vor den Olympischen Spielen ist am brisantesten. Dann blüht der Handel mit Spitzenpferden, viele Reiter suchen noch auf der ganzen Welt nach einem Olympiapferd und schicken ihre Vermittler los. Bis zum Stichtag, dem 31. Dezember 2019, muss das Pferd einen Besitzer aus dem Land haben, für das es starten soll, danach geht nichts mehr. Und mancher, der bis dahin noch hoffte, mit seinem langjährigen Top-Pferd 2020 nach Tokio zu fliegen, musste sein Ross ziehen lassen, weil jemand viel Geld auf den Tisch legt.

Das ging der Springreiterin Laura Klaphake so, die ihre Stute Catch Me If You Can, mit der sie an der WM-Bronzemedaille in Tryon beteiligt war, an eine junge Tschechin aus reichem Haus abtreten musste. Und so ging es jetzt auch der Vielseitigkeitsreiterin Julia Krajewski. Ihr WM-Pferd, der elfjährige Chipmunk, wird künftig vom dreimaligen Olympiasieger Michael Jung geritten. Vorausgegangen waren monatelange Kaufverhandlungen, auch mit ausländischen Interessenten. Chipmunk gilt als eines der besten Buschpferde der Welt, der Elfjährige ist im perfekten Alter, hervorragend ausgebildet und kann imponierende Erfolge vorweisen, unter anderem den Sieg beim CHIO in Aachen 2018. Bei der WM in Tryon im September ging Krajewski nach der Dressur in Führung, die sie aber nach einem Fehler im Gelände abgeben musste. Das Pferd kam schlecht an eine schwierige Kombination und lief vorbei. Die Enttäuschung war groß, zumal Chipmunk bis zu seinem Fehler schnell genug war, um in die Medaillenränge zu galoppieren, und mit ihm das Team.

Das Pech, das an Krajewski bei Championaten klebt, verließ sie also auch in Tryon nicht. 2016 bei Olympia in Rio schied sie aus, 2017 sorgte ein Medikationsbefund bei ihrem Pferd Samourai du Thot bei der EM in Strzegom (Polen) dafür, dass die Deutschen die Mannschaftssilbermedaille verloren.

Doch das soll nicht der Grund gewesen sein, weswegen Chipmunk aus seiner Box in Warendorf ausziehen musste. "Der Vertrag mit dem Besitzer lief am 30. Oktober 2018 aus", sagte Krajewski, "er wollte das Pferd aus persönlichen Gründen verkaufen." Nie war Chipmunks Marktwert höher als jetzt. Der Besitzer ist auch der Züchter des Pferdes, Julia Krajewski gehörte nur ein Teil. "Den habe ich mir im Laufe der Zeit erritten", sagt sie, "aber es war nicht genug, um den Verkauf zu verhindern."

Dass am Ende nicht ein Australier, Brite oder US-Reiter im Sattel von Chipmunk sitzen wird, sondern der erfolgreichste deutsche Reiter, freut Bundestrainer Hans Melzer. "Michis Sponsor ist zum Glück eingesprungen," sagt er. Das deutsche Olympiade Komitee für Reiterei (DOKR) beteiligte sich, der Züchter behielt ebenfalls einen kleinen Anteil. Der Kaufpreis wird wie üblich nicht genannt, im Raum steht eine Summe von 800 000 Euro. Viel für ein Vielseitigkeitspferd, wenig im Vergleich zu den Preisen für Springpferde, die schon mal zweistellige Millionenbeträge kosten.

Sechs Jahre lang war der hübsche Braune bei Krajewski im Stall, sie hat ihm das kleine Einmaleins eines guten Reitpferdes beigebracht und ihn zum Weltklassepferd ausgebildet. "Natürlich wächst einem so ein Pferd ans Herz", sagt sie. Im September will sie mit Samourai du Thot bei der EM mitreiten und hat jetzt mehr Zeit für ihre jungen Pferde, eines davon ist Chipmunks Bruder. "Ich wünsche mir, dass Chip weiter so liebevoll und individuell betreut wird wie bei uns", sagt Krajewski, "ich wünsche den beiden viel Erfolg." So was sagt man wohl in so einem Moment.

Für Michael Jung jedenfalls ist der Zugang ein Geschenk des Himmels. Schon in Tryon fehlte er, weil er kein gesundes Spitzenpferd hatte - das deutsche Team kam ohne Medaille nach Hause. Seinen Olympiacrack Sam hat Jung in den Ruhestand verabschiedet. Jetzt kann er wieder von Tokio träumen. Doch zunächst will er es mit Chipmunk ruhig angehen lassen. "Diese Saison wollen wir uns erst mal aneinander gewöhnen. Er hat ja schon bewiesen, was er kann. Nur kein Stress." Jedenfalls vorerst nicht.

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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