Reitsport:Auf der Spur der Mohnsamen

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Hopp Schwiiz: Steve Guerdat auf Nino des Buissonnet, 2012 in London. (Foto: Laurent Gillieron/dpa)

Olympiasieger Steve Guerdat muss beweisen, wie drei Schmerzhemmer in sein Pferdefutter kamen - viel Zeit hat er nicht.

Von Gabriele Pochhammer, München

An diesem Donnerstagnachmittag entscheidet das Tribunal der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) bei einer telefonischen Anhörung, ob die vorläufige Sperre gegen den Schweizer Springreiter-Olympiasieger Steve Guerdat vorzeitig aufgehoben wird. Bei zwei Pferden von Guerdat, seinem Olympiapferd Nino des Buissonnets und seinem Zweitpferd Nasa, waren beim Turnier in La Baule/Frankreich im Mai die verbotenen Substanzen Codein, Oripavin und Morphin gefunden worden. Mit Nino des Buissonnets gewann Guerdat dort den Großen Preis, mit Nasa wurde er Dritter im Springderby. Alle drei Substanzen sind in Mohnsamen enthalten, weswegen möglicherweise ein Fütterungsfehler die positive Analyse verursacht hat: Das heißt, ins maschinell hergestellte Pferdefutter könnten Reste der Samen geraten sein. Die FEI spricht in einem solchen Fall von "Kontaminierung". Wie es das Reglement vorsieht, wurde Guerdat sofort auf unbestimmte Zeit gesperrt, seine Pferde wurden für zwei Monate verbannt. "Als für die Regeln im internationalen Pferdesport zuständiger Verband müssen wir einerseits die Fairness gegenüber den Sportlern wahren und anderseits das Wohl des Pferdes wie auch die Chancengleichheit im Wettkampf schützen", heißt es in einer Mitteilung der FEI.

Für den 33 Jahre alten Guerdat geht es um viel: Nicht nur stehen an den nächsten Wochenenden wichtige Turniere an: die CSIO-Events in Hickstead und Dublin sowie die hoch dotierte Global Champions-Tour in London. Vor allem für die Europameisterschaft in Aachen in dreieinhalb Wochen ruhen die Schweizer Hoffnungen auf dem Olympiasieger aus dem Jura.

Steve Guerdat zeigte sich entsprechend bestürzt. Er und sein Team seien "überrascht und tief betroffen" von der Nachricht. In den nächsten Tagen muss er nun herausfinden, wie die verbotenen Substanzen in den Körper seiner Pferde gelangen konnten. Er hat zehn Tage Zeit, die Analyse der B-Probe zu beantragen. Zwar wird er die Geldpreise von La Baule wohl zurückzahlen müssen, aber einiges spricht dafür, dass er den Kopf rechtzeitig vor der Europameisterschaft aus der Schlinge ziehen kann. Zu Hilfe kommt Guerdat zum einen die Tatsache, dass in einem Pferd der jungen Reiterin Alexandra Bichsel, ebenfalls aus der Schweiz, bei einem anderen französischen Turnier in Deauville die gleichen Substanzen gefunden wurden. Zum anderen beschäftigt sich das FEI-Tribunal zur Zeit mit drei weiteren Fällen aus dem Jahr 2014, in denen Oripavin und Morphin nachgewiesen, die vorläufigen Sperren aber wieder aufgehoben wurden.

Alle drei Substanzen - Codein, Oripavin und Morphin - wirken schmerzhemmend, Codein wird auch verabreicht, um Husten zu unterdrücken. Codein und Oripavin zählen im Reitsport zu den Dopingsubstanzen, das heißt, sie dürfen sich zu keinem Zeitpunkt im Körper des Pferdes befinden. Oripavin ist in keinem Medikament enthalten, weder für Tiere noch für Menschen - die therapeutische Wirkung ist gering, zugleich gilt es als toxisch, also giftig. Das lasse im Fall von Steve Guerdat "auf eine pflanzliche Quelle schließen", sagt Charles Trolliet, der Vorsitzende des Schweizer Pferdesportverbandes und selbst Tierarzt.

Auch der Hoflieferant der Queen musste schon Futter zurückrufen

Anders als Codein und Oripavin fällt Morphin unter "Kontrollierte Medikation", es kann zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden, ist aber im Wettkampf ebenfalls verboten. Positiv-Fälle mit Morphin hat es in der Vergangenheit im Pferdesport mehrere gegeben. Der wohl spektakulärste ereignete sich vor einem Jahr in Großbritannien. Ausgerechnet ein Rennpferd der pferdebegeisterten Queen, die fünfjährige Stute Estimate, wurde positiv getestet, nachdem sie im Ascot Gold Cup Zweite geworden war. Ein Jahr zuvor hatte Estimate diese Prüfung gewonnen, es war der erste Sieg Ihrer Majestät in diesem prestigeträchtigen Rennen gewesen. Außer Estimate wurden auf britischen Rennbahnen etwa zur gleichen Zeit fünf weitere Pferde positiv auf Morphin getestet. Wenig später riefen zwei britische Futtermittelhersteller Produkte aus ihrem Sortiment zurück, darunter der Hoflieferant des Königshauses, Dodson &Horrell, weil Samen von Mohnblumen im Rohmaterial des Futters gefunden worden waren. Die British Equestrian Trade Association (BETA), der Verband britischer Pferdefutterhändler, hatte Turnierreiter damals ausdrücklich auf die Gefahr hingewiesen.

Das hat sich möglicherweise nicht bis in die Schweiz herumgesprochen. Steve Guerdat muss sich jetzt um eine Analyse seines Pferdefutters kümmern, aber "das geht nun mal nicht so schnell", befürchtet Charles Trolliet. Viel Zeit bleibt nicht. Zwar hat der Schweizer Verband Guerdat für die Europameisterschaft nominiert, aber nur wenn die Sperre bis zum 10. August aufgehoben wird, kann er in Aachen in den Sattel steigen.

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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