Regionalliga-Serie:Echter Vollstrecker

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Sebastian Kinzel will sich den Traum von der Regionalliga erfüllen. (Foto: oh)

40 Tore in 29 Spielen - der 26-jährige Sebastian Kinzel ist als Stürmer in dieser Saison so gut wie nie und drauf und dran, den TSV Rain/Lech zurück in die Regionalliga Bayern zu schießen. Ein Monat bleibt ihm dafür.

Von Johannes Knuth

Wenn ein Trainer seinen besten Stürmer nach einer Stunde Spielzeit vom Platz bittet, ist das kein gutes Zeichen. Als der Stürmer Sebastian Kinzel vom TSV Rain/Lech vor Kurzem beim Auswärtsspiel gegen die SpVgg Unterhaching II nach einer Stunde Dienstzeit den Platz verließ, war er allerdings bestens gelaunt. In den ersten 20 Minuten hatte Kinzel einen Hattrick produziert, bis zur Halbzeit reichte er zwei weitere Tore nach. Fünf Tore, so oft in einer Partie hatte Kinzel in der aktuellen Saison nur einmal getroffen, am fünften Spieltag gegen den TSV 1865 Dachau. Wobei die Hachinger Reserve auch nur bedingt Gegenwehr leistete. Haching hatte gerade noch elf Spieler zusammengekratzt, es gab keinen Kassierer, der Kiosk hatte geschlossen, zur Pause verteilte Rains Busfahrer ein paar Getränke. Dass Kinzel auch gegen potentere Gegner treffen kann, wies er am vergangenen Wochenende nach: Zweimal traf er gegen den SV Pullach, es waren seine Saisontore 39 und 40, im 29. Spiel.

40 Saisontore?

Sebastian Kinzel, 26, ist der mit Abstand erfolgreichste Angreifer der Bayernliga. Sollte sein Klub, der TSV Rain/Lech, bis zum Saisonende seinen zweiten Tabellenplatz vor dem punktgleichen FC Pipinsried behaupten und die Lizenz für die Regionalliga erhalten, wird Kinzel seine Torjägerqualitäten vermutlich bald schon dort vorführen können (Tabellenführer Pullach hat die Regionalliga-Lizenz nicht beantragt). Kinzel hat im Laufe seiner bisherigen Karriere durchaus nachgewiesen, dass er einen Ball in ein Tor schießen kann, mal waren es 27 Tore in der Landesliga, mal 25 in der Bayernliga. Aber 40 Treffer, vier Spieltage vor Saisonschluss? Kinzel überlegt, wie er seine Ausbeute begründen soll. Dann sagt er: "Keine Ahnung."

In der Rückrunde der vergangenen Saison heuerte Kinzel beim designierten Regionalliga-Absteiger Rain an, der schon damals an der Auswahl für die kommende Saison bastelte. "Die Mannschaft ist zusammengeblieben, das System ist das gleiche", sagt Kinzel. Das könnte freilich als Erklärung herhalten, manchmal genügt es ja, einer Mannschaft etwas Zeit zum Wachsen zu geben. "Vielleicht", sagt Kinzel, "liegt's an mir selbst. So viele andere Gründe gibt es nicht", er lacht.

Kinzel ist niemand, der explizit seine Vorzüge hervorhebt, das müssen andere machen. Zum Beispiel Stefan Tutschka, der Kinzel bei mehreren Klubs begleitete, bis vor einer Saison als Trainer in Rain. "Ein richtig guter Stürmer - beidfüßig, technisch gut, kopfballstark", sagte Tutschka, als Kinzel sich in Rain vorstellte. Seitdem bringt der 26-Jährige sämtliche Kompetenzen ein, die Tutschka gepriesen hatte. Mal trifft er mit rechts, mal mit links, mal per Kopf, per Fernschuss oder Elfmeter. Rain drückt die Gegner früh in die eigene Hälfte, die Mannschaft trifft oft in den ersten fünfzehn Minuten eines Spiels. Anschließend lässt Rain den Gegner schon mal kommen und zeigt dann vorzügliche Konterangriffe, meistens mit Kinzel als Vollstrecker. Wenige konnten bislang diese Qualitäten eindämmen, es gibt Ausnahmen, eine pikante sogar.

Anfang August vergangenen Jahres trafen Rain und Pipinsried in der ersten Runde des Toto-Pokals aufeinander. Konrad Höß, Pipinsrieds ewiger Präsident und Platzwart, verkündete per Stadionmikrofon, dass er zwei prominente Gäste begrüßen dürfe, Unterhachings Präsident Manfred Schwabl und Alexander Schmidt, damals Trainer von Drittligist Jahn Regensburg; beide seien gekommen, um Kinzel zu beobachten. Pipinsried gewann 3:1, Kinzel traf nicht, spielte gehemmt. Auch wegen der Durchsage. Behauptete Höß. "Wir waren damals einfach schlecht", sagt Kinzel heute. Er bestreitet nicht, dass immer wieder Angebote eintrudeln. Ein 20 Jahre alter Kinzel würde diese Angebote studieren und sich dann wohl einem höherklassigen Klub anschließen. Der 26 Jahre alte Kinzel hat es schwerer. Bis zuletzt hatte er gehofft, mit einem Verein aus der Region in höhere Klassen vorzustoßen, mit dem TSV Gersthofen, dem TSV Aindling, zuletzt mit dem BC Aichach. Das scheiterte aber regelmäßig daran, dass Kinzels Vereine irgendwann in finanzielle Turbulenzen gerieten. Derzeit baut Kinzel ein Haus bei Dasing, er ist als Serviceberater eines Autohauses im Berufsleben verankert. All das will er nicht aufgeben - "nur bei einem Granaten-Angebot", wie er sagt. Sobald feststeht, ob Rain in die Regionalliga zurückkehrt oder nicht, will auch er entscheiden, ob er seinen bis 2016 gültigen Vertrag erfüllt - oder vorzeitig zu einem höherklassigen Klub wechselt. Ein Monat bleibt Kinzel und dem TSV Rain, um den Aufstieg klar zu machen - das eine oder andere Tor sollte da noch drin sein.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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