Ralf Schumacher:,,Ein schneller Fahrer weniger''

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Sämtliche Fahrer trauern Michael Schumacher schon vor dessen Rücktritt hinterher. Nur Bruder Ralf weigert sich, beim Rührstück mitzuspielen.

René Hofmann

Ob er es nun am Sonntag sagt oder nicht, ist gar nicht mehr so wichtig. Michael Schumacher kann jetzt jederzeit zurücktreten. Die Stimmen sind gesammelt, die Urteile gefällt. ,,Ich werde sicher nicht so lange fahren wie Michael'', sagt zum Beispiel Fernando Alonso. Selbst der Weltmeister und WM-Rivale äußert sich anerkennend über Schumachers Rekorde. ,,Ich glaube nicht, dass die noch einmal jemand erreichen kann'', sagt Alonso: ,,Dafür braucht man Glück und immer das richtige Team.''

Der mögliche Abtritt des siebenmaligen Weltmeisters zum Saisonende ist das große Thema vor dem Großen Preis von Italien (Qualifikation Samstag, 14 Uhr/Start Sonntag, 14 Uhr). ,,Er hat der Formel 1 viel gegeben'', sagt Toyota-Pilot Jarno Trulli. ,,Wir werden ihn vermissen'', sagt Giancarlo Fisichella, der zweite Mann bei Renault. Die Kollegen reden über Schumacher schon so, als sei er verschwunden, und ein bisschen ist es sogar wie bei einem Toten: Plötzlich will sich partout keiner mehr an eine schlechte Eigenschaft erinnern. Nick Heidfeld berichtet über die gemeinsame Jugend auf der Kartbahn in Kerpen: Wie der acht Jahre ältere Schumacher einst Hütchen aufstellte und eine kurze Fahrstunde abhielt. An Heidfelds Fahrweise hatte er wenig auszusetzen.

Lediglich in einer Kurve waren die beiden sich über die Ideallinie nicht einig. Toro-Rosso-Jüngling Vitantonio Liuzzi erzählt die fast schon rührende Geschichte von seiner ersten Begegnung mit Schumacher bei der Kart-WM 2001 in Kerpen. Erst, gibt der Italiener zu, sei er nicht begeistert davon gewesen, dass da ein Formel-1-Champion kommt und sich für ein Rennen einmischt in eine Nachwuchsmeisterschaft. Aber dann! Nur Gutes kann Liuzzi über Schumacher verbreiten. Schnell sei der gewesen! Fair! Ein prima Sportsmann! Ein toller Kumpel! Gut habe er ihm zugeraten und ihm einige Tricks gesteckt.

Ralf spielt den Miesepeter - wie so oft

Auch Giancarlo Fisichella gerät ins Schwärmen. Ein klasse Fußballer sei Schumacher. Und nach dem Duschen erst. Wenn man mit ihm und den eigenen Kindern zusammensitzt, da zeige sich: Ein echter Mensch! Selbst Felipe Massa wünscht sich: ,,Er soll weitermachen.'' Dabei würde das für den Ferrari-Kollegen wahrscheinlich bedeuten, dass er zurück auf die Ersatzbank muss. In der Formel 1 wird immer viel geheuchelt. Aber selten geschieht das so unverhohlen, wie an diesem Wochenende. Jahrelang haben sie sich mit Schumacher duelliert, jahrelang hat er ihnen die Show gestohlen. Aber kaum wirkt der Abschied nahe, ist er auch noch der beste Gegner aller Zeiten gewesen.

Nur einer spielt bei dem Rührstück nicht mit, dabei müsste es ihm besonders nahe gehen. Was der Rücktritt seines Bruders für ihn bedeuten würde, ist Ralf Schumacher gerade gefragt worden. Der 31-Jährige schaut missmutig in die Journalistenrunde, die sich im Toyota-Motorhome um ihn geschart hat. Dann antwortet er, kürzest angebunden: ,,Ein schneller Fahrer weniger. Mehr nicht.''

Jeder hat einen Versuch, doch so sehr sich alle auch mühen - mehr über den großen Schumacher ist aus dem kleinen nicht herauszubekommen. Irgendwann wird es Ralf Schumacher zu dumm. ,,Ich verstehe den ganze Bohei nicht'', ruft er: ,,Für euch ist er danach vielleicht weg. Für mich nicht.'' Ob der Dominator der vergangenen Jahre tatsächlich abtritt, wird am Sonntag nach dem Rennen bekannt gegeben. Bis dahin haben sich alle, die eine rote Uniform tragen, eisernes Schweigen auferlegt. Die Geschichte in Monza über die Bühne zu bringen, war nicht unbedingt Schumachers Idee. Aber es hat Tradition, dass der Rennstall beim Heimrennen bekannt gibt, mit welchen Piloten er im kommenden Jahr antritt, und Traditionen bricht man nicht, wenn man der traditionsreichste Rennstall überhaupt ist. Die Frage, wann genau die Erklärung kommt, bewegt vor allem die vielen TV-Stationen. Sie müssen Satelliten buchen, um die Nachricht so schnell wie möglich zu verbreiten. Die ganze Welt wartet auf Michael Schumachers Entschluss. Nur Ralf Schumacher nicht. Der hat seinen Rückflug für Sonntag um 18 Uhr gebucht.

© SZ vom 10.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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