Räikkönen holt Pole Position in Monza:Der schnellste Mann der Formel 1

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Pole Position: Kimi Raikkönen reckt in Monza den Daumen nach oben. (Foto: Dan Istitene/Getty Images)

Erstmals seit 24 Jahren fahren beim Großen Preis von Italien wieder zwei Ferraris von den ersten Startplätzen - in ungewohnter Reihenfolge.

Von Philipp Schneider, Monza

Kimi Räikkönen greift mit beiden Händen nach seiner Mütze. Er rückt sie nach links. Er rückt sie nach rechts. Dann korrigiert er sie wieder ein Stückchen nach links. Bis die Mütze perfekt sitzt. Hübsch auf seinem Kopf. Ein paar Millimeter machen da jetzt den Unterschied, selbst Kimi Räikkönen will manchmal gut aussehen. Zumindest dem Anlass angemessen. Und was, bitteschön, war das jetzt für ein großartiger Moment für ihn, den Weltmeister von 2007?

Für Räikkönen, den Assistenten von Sebastian Vettel, inzwischen 38 Jahre alt, der sich doch lange Zeit so selbstlos in seine Assistentenrolle gefügt zu haben schien. Und nun das: Pole Position. Die schnellste jemals gefahrene Runde der Formel-1-Geschichte. Oder anders gesagt: Niemand war jemals schneller in der Formel 1 als Kimi Räikkönen am Samstag in der Qualifikation für seinen möglicherweise letzten Auftritt in Monza. Auf der Heimatstrecke der Scuderia Ferrari, jenes Rennstalls, der ihn noch immer zappeln lässt vor der Verlängerung seines Vertrages. Der sich nicht entscheiden mag, ob er in Zukunft dem aufstrebenden Charles Leclerc, 20, das Cockpit an der Seite von Vettel zu teilen, oder doch noch einmal Räikkönen auf seine letzte Reise um die Strecken dieser Welt schicken möchte. Jenen Räikkönen, der schon in der vergangenen Woche in den Trainings von Spa-Francorchamps sehr oft schneller gewesen war als Vettel. Und der beim Großen Preis von Belgien nur deshalb gebremst worden war, weil ihm Ferrari im entscheidenden Moment der verregneten Qualifikation das Auto nicht vollgetankt hatte. Diesmal, sieben Tage später, riss Räikkönen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 263,587 km/h seine 18. Pole Position mit Gewalt an sich. Im letzten Versuch. Er war 17 Hundertstelsekunden schneller als Vettel.

Kann man Kimi Räikkönen, der ja kürzlich eine umfassende Lebensbeichte in einer Biografie veröffentlichte, ansehen, wenn er Genugtuung empfindet? Natürlich nicht.

Räikkönen rückt also seine Mütze zurecht. Er blickt mit seinen eisblauen Augen runter ins Publikum. Dann sagt er: "Für uns als Team ist Monza der beste Platz überhaupt, um auf der Pole Position zu stehen." Und seine letzte Runde, die schnellste aller Zeiten? "Die war ganz anständig. Und gut genug für die Pole Position."

18 Jahre ist es her, dass zuletzt zwei Ferraris in der ersten Reihe parkten beim Großen Preis von Italien. 2000 stand Michael Schumacher in Monza vor Rubens Barrichello. An jenem Ort, an dem, wäre die Welt ein bisschen gerechter, Erstreihenparkverbote für alle anderen Autos gelten würden als die roten. Wo Banner im Autodrom an den alten Tribünen hängen mit der Aufschrift: "Man kann die Leidenschaft nicht beschreiben, man kann sie nur leben." Wo sich die ganz in Rot gewandeten Zuschauer an den haushohen Maschendrahtzäunen am liebsten stapeln würden, weil sie alle zugleich möglichst nah an den Fahrern sein wollen.

Nur für einen kurzen Moment war es leise auf den Tribünen am Samstag, in jenen wenigen Sekunden, die alle brauchten, ehe ihnen die Gewissheit Erlösung dämmerte, dass sich Vettel tatsächlich noch vor Hamilton im Mercedes schieben würde. Maurizio Arrivabene, der Teamchef der Scuderia, stand nach der Qualifikation in der Boxengasse, er blickte hinüber zur Haupttribüne mit den Tifosi, er streckte die Arme und beide Zeigefinger in triumphaler Geste ihre Richtung. Arrivabene sah aus, als wolle er den Moment einfrieren, als eine Art Statue seiner selbst.

Und Vettel? Vettel war sauer.

"Wir reden später", funkte er nach der finalen Zeitennahme an die Box. Seine vorübergehende Bestzeit, die dann von Räikkönen verbessert wurde, hatte er zuvor noch gefeiert mit einem lauten "Yesss!" Später wurde gefragt, was er denn später habe bereden wollen - und Vettel sagte. Och, naja, sagen wir so, "ich war nicht happy. Aber ich verrate nicht, warum." Zumindest seine dann öffentlich zur Schau gestellten Emotionen brachte Vettel am Samstag recht schnell wieder unter Kontrolle. "Meine Runde war nicht so gut. Es ist toll, beide Autos in der ersten Reihe zu haben", sagte er. Immerhin startet er an diesem Sonntag (15.10 Uhr) vor seinem Titelrivalen Lewis Hamilton. Vettel weiß ja, dass es vor allem darauf ankommt.

Und darauf, dass er am Sonntag irgendwann auf der Strecke die Position mit seinem schnelleren Teamkollegen tauschen muss.

© SZ vom 02.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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