Radsport: Tour de France:Schöne neue Tour-Welt

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Die Tour-Macher freuen sich über das Duell Contador/Schleck - und müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dem Geschäft mehr Bedeutung einzuräumen als den ethischen Grundsätzen. Es gelten wieder die alten Regeln.

Andreas Burkert

Christian Prudhomme ist ein sehr zufriedener Mensch gewesen, als sich erst mit dem Zeitfahren von Pauillac die 97. Tour de France entschieden hatte. Was für ein Duell! Diese Spannung!! Es lebe die Tour!!! Die schönste Tour seit seinem Einstieg in die Rennleitung im Jahre 2004 sei das gewesen, jubilierte der frühere Fernsehjournalist. Contador gegen Schleck erinnere ihn an die großen Duelle im Tennis zwischen Federer und Nadal, sagt er, und dass Lance Armstrong trotz 40 Minuten Rückstands bei seinem Adieu bis nach Paris fahre, sei geradezu "formidabel". Nur eines sei heuer schwierig gewesen: das Wetter, die Hitze.

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Der Schlusstag der Tour de France ist normalerweise ein Tag der Harmonie. Doch in diesem Jahr verstört eine Aktion von Lance Armstrong die Zuschauer und die Konkurrenten.

Prudhomme ist ein Gesicht der schönen neuen Tour-Welt, die ethische Grundsätzen nur noch in Notfällen - nach dem nächsten Skandal - mehr Bedeutung einräumen würde als dem Geschäft. Aber ist das nicht derselbe Prudhomme, der ehedem wegen der historischen Fuentes-Affäre prinzipienstark die Größen Basso und Ullrich sowie Trickser aus Contadors einstigem Liberty-Team nicht starten ließ? Doch, das ist er.

Die Tour-Veranstalter möchten Geld verdienen, nicht nur in Frankreich. Auch der Radsport treibt seine Globalisierung voran, wie die Zunahme amerikanischer Teams und der Rennen in Übersee belegen. Bis zum letzten Kilometer behält deshalb die Marketingfigur Armstrong Legenden-Status, auch wenn selbst in den USA der Glaube an seine Story sinkt. Und aus dem Burgfrieden, den die Tour einst schloss mit dem Weltverband UCI (es ging um Geld, um den Rennkalender), ist längst ein Bündnis geworden, das hart kämpft - nur nicht für Transparenz.

Seit Armstrongs Rückkehr gelten wieder andere Regeln. So raste Alessandro Petacchi im Grünen Trikot gen Paris, obwohl gegen ihn daheim in Italien ermittelt wird. Es ist nicht lange her, da wäre dies für die Tour undenkbar gewesen. Aber sie hat sich einen Pragmatismus verordnet, dem sich angeblich auch die Profis verpflichtet fühlen: Selbst Sieger Contador hat Schwächen gezeigt und damit für manchen die These aktueller Kronzeugen (Landis, Kohl, Frei) gestützt, dass inzwischen an stimulierenden Stoffen nur noch in Mikro-Dosen genascht werde.

Auch etwas weniger Betrug bliebe Betrug. Doch in der schönen, neuen Tour-Welt haben solche Thesen keinen Platz. Beleg dafür ist eine etablierte Preisverleihung, mit der die Tour-Organisatoren eine - ihrer Meinung nach - herausragende Berichterstattung würdigen. Gewonnen hat ein Autor von L'Équipe, dem Sportblatt des Veranstalters der Tour. Er hatte noch einmal Contadors Geschichte erzählt. Das Wort "Fuentes" kam darin nicht vor. Die Preisübergabe nahm Prudhomme vor.

© SZ vom 26.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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