Radsport:T-Mobile: Mittelmaß plus Ullrich

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Als T-Mobiles neuer Rennstall-Chef steht Olaf Ludwig vor vielen Problemen - Erik Zabels Abschied ist noch das geringste.

Jörg Marwedel

Der Abschied war so stilvoll inszeniert, wie man sich das vorstellt unter alten Weggefährten, die viel zusammen erlebt haben. Man umarmte sich und bekräftigte, "Kumpels" bleiben zu wollen. Man trank ein Gläschen Sekt auf die alten Zeiten, und schließlich bedachte der Radprofi Erik Zabel, 35, den früheren Kollegen und künftigen Chef des Teams T-Mobile, Olaf Ludwig, mit ein paar hübschen Wortgirlanden. "Olaf", sagte Erik Zabel, "ist der richtige Mann, den angestrebten behutsamen Umbruch im Team zu vollziehen."

Ludwig wird den freundschaftlichen Zuspruch dankbar aufgenommen haben. Denn während Kumpel Erik am Sonntagabend nach den HEW Cyclassics, bei denen er als Sechzehnter ins Ziel gekommen war, mitteilte, er werde nach 13 Jahren als Pedaleur im Dienste der Telekom "einen neuen Schritt wagen" und sich einem Team anschließen, das ihm außer einem Dreijahresvertrag die Garantie für weitere Starts bei der Tour de France biete (mutmaßlich Domina Vacanze/Italien), steht Ludwig vor einer ungleich komplexeren Aufgabe. Er beerbt beim führenden deutschen Radteam das in Rente gehende Schwergewicht Walter Godefroot. Und der offiziell bedauerte, aber einkalkulierte Verlust der Identifikationsfigur Erik Zabel ist keineswegs sein größtes Problem.

Teamtaugliche Hochkaräter selten

Ludwig muss in Teilen ein neues Team konstruieren. Es wird ein Team sein, das noch stärker auf die Bedürfnisse von Jan Ullrich ausgerichtet ist, der nach dem Karriereende des übermächtigen Lance Armstrong 2006 endlich seinen zweiten Tour-Sieg nach 1997 einfahren soll. Der alternde Sprinterstar Zabel, der zunehmend über seinen gesunkenen sportlichen Stellenwert bei T-Mobile maulte, ist da verzichtbar geworden, nicht aber der zweite prominente Weggang, Alexander Winokurow. Für den diesjährigen Tour-Sechsten, der zum spanischen Stall Liberty Seguros wechselt, weil ihm sein Freund Jan Ullrich die Kapitänsrolle versperrte, gibt es, so Ludwig, "keinen adäquaten Ersatz auf dem Markt". Die für Zabel und Winokurow zusammen eingesparten etwa drei Millionen Euro jährlich könnten laut Ludwig theoretisch zwar "reinvestiert" werden, doch teamtaugliche Hochkaräter sind kaum noch zu bekommen. "Wir sind noch dran an neuen Leuten, aber ein Knaller wird wohl nicht dabei sein", sagt der neue Teammanager.

So nehmen sich die bisherigen Verpflichtungen vergleichsweise bescheiden aus. Patrik Sinkewitz, 24, aus Fulda, der vom belgischen Stall Quickstep kommt, gilt zwar als großes Allround-Talent mit Qualitäten am Berg, doch bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt versauerte der Sieger der Deutschland-Tour 2004 auf Rang 59 und klagte, er sei nach Bekanntgabe seines Wechsels im alten Team "geschnitten und gemobbt" worden. Auch der ebenfalls von Quickstep geholte australische Zeitfahr-Weltmeister Michael Rogers, 25, konnte die hohen Erwartungen bei der Tour 2005 nicht erfüllen und endete auf Platz 41. Der Erfurter Thomas Ziegler, 24, (bisher Gerolsteiner) ist ohnehin eher eine Ergänzung als eine Verstärkung.

Wahrnehmung nur über Ullrich

Profil wird Olaf Ludwig derweil nicht nur bei der Suche nach Personal gewinnen müssen. Bislang galt sein Vorgänger Walter Godefroot als Einziger im Bonner Stall, der es wagte, öffentlich Kritik an Ullrich zu formulieren. Ludwig will dagegen auf noch größere persönliche Freiheiten für den als zuweilen bequem geltenden Kapitän setzen. Skeptiker sehen in der ganz auf Ullrich und die Tour de France ausgerichteten Politik eine fast fahrlässige Einseitigkeit, die auch den Marketing-Zielen von T-Mobile kaum entgegenkomme. Sie warnen, das bisher mit rund zwölf Millionen Euro pro Jahr gesponserte Team werde dann von einer großen Öffentlichkeit nur noch im Tour-Monat Juli und davor durch Meldungen über Ullrichs Formzustand wahrgenommen werden.

© SZ vom 2.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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