Radsport:Die Vielseitige

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Lisa Brennauer gewinnt drei Medaillen auf der Bahn und der Straße. Und ein viertes Rennen hat die Europameisterin noch.

Von Volker Kreisl, Glasgow

Katie Archibald ist erst 24 Jahre alt und war bis vor sieben Jahren noch Schwimmerin. Dann wurde sie Bahnradfahrerin, gewann Gold in Rio, wurde 2018 Weltmeisterin, gewann Gold bei den Commonwealth Games und am Freitag EM-Gold mit der Mannschaft. Archibald ist also eine hochkarätige Athletin, vor allem aber ist sie Schottin, weshalb am Samstag beim 3000-Meter-EM-Finale gegen Lisa Brennauer im Velodrom von Glasgow unfassbarer Lärm einsetzte.

Brennauer? Gewiss, die Deutsche war auch mal gut auf der Bahn, aber zuletzt fuhr sie doch eher auf der Straße; und so lag die Vermutung nahe, den kleinen Lauf, den sie gerade hat, würde Archibald wohl stoppen. Tatsächlich war die Schottin gleich eine halbe Sekunde vorne, aber dann wurde es doch abrupt leise in der Halle, als hätte jemand am Tonregler gedreht.

Brennauer hat die britische 3000-Meter-Party zwar verdorben, wurde aber trotzdem in ordentlicher Phon-Stärke gewürdigt. Die Kemptnerin hatte ja bereits am Freitag mit der Mannschaft Bronze gewonnen, nun also auch noch Gold in der Einzelverfolgung, und auch das sollte noch nicht alles sein. Denn Brennauer, 30, hatte weitere Einsätze vor. Am Sonntag, keine 24 Stunden später, saß sie wieder im Sattel, diesmal auf dem Rennrad, und wurde EM-Dritte über 130 Kilometer im Straßenrennen. Damit steht sie zunächst an der Spitze ihres in Glasgow erfolgreichen Verbandes (BDR). Am Wochenende hatte auch Joachim Eilers Silber im 1000-Meter-Zeitfahren geholt. Am Sonntag wurde Anna Knauer aus Eichstätt im Ausscheidungsrennen EM-Zweite - und dann gewann am Abend auch noch Domenic Weinstein in der Einerverfolgung die Goldmedaille. Nachdem er in 4:13,073 Minuten im Vorlauf bereits einen deutschen Rekord aufgestellt hatte, taktierte Weinstein im Finale gegen den Portugiesen Ivo Oliveira klug. Zunächst lag der 23-Jährige aus Villingen-Schwenningen zurück, ab Kilometer drei startete Weinstein aber seine Aufholjagd. Am Ende lag er fast zwei Sekunden vor seinem Finalgegner. Der Brennauer-Vierteiler bei dieser EM ist wiederum von besonders langer Hand geplant, abgestimmt und bislang perfekt umgesetzt, wie ihr Auftritt im Bahnrad-Finale zeigte. Nach dem Start hatte sie Rückstand, aber dann kam sie in ihren Rhythmus. Bald übernahm sie die Führung und baute diese bis zur Hälfte des Rennens auf fast zwei Sekunden aus. Sie rollte zielstrebig wie eine Roulette-Kugel. Ihr Tritt wirkte leicht, ihr Gesicht ließ keine Erschöpfung erahnen. Den deutschen Rekord sollte sie verbessern, auf 3:26,879 Minuten. Als sie nach zwei Kilometern mit zwei Sekunden vorne lag, war der Sieg sicher.

Brennauer profitiert viel von ihren technischen Fertigkeiten, die sie aus der ersten Karrierephase als Bahnradlerin wieder abrufen kann, zwischendurch hatte sie sich für vier Jahre auf die Straße konzentriert, auf der sie schnell Weltklasseniveau erreichte und unter anderem 2014 Weltmeisterin im Einzelzeitfahren wurde. Vermutlich ist es aber auch der Schwung dieser Tage, der sie antreibt. Ein Rennen hat sie noch. Auch da ist Brennauer nicht gerade Außenseiterin: Im Einzelzeitfahren wurde sie 2014 Weltmeisterin.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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