Radsport:Bassos kleinste anzunehmende Reue

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Der italienische Giro-Sieger geht bei seinem Dopinggeständnis nur so weit, wie es seiner Karriere nützt.

Birgit Schönau

Es ist noch kein Erdbeben, nur ein leichtes Zucken - und es wird vermutlich keine tiefe Spalte reißen zwischen Ivan Basso und dem Rest des Radsports. Sicher, Basso hat geredet und gestanden. Nämlich, dass 3,5 Kilo seines Bluts bei dem spanischen Arzt Eufemiano Fuentes lagerten. Dreieinhalb Kilo, das ist mehr als die Hälfte der Blutmenge, die ein erwachsener Mann in seinem Körper hat. Sein eigenes Blut wollte Basso von Fuentes behandeln und sich wieder eintröpfeln lassen, um bei der Tour 2006 schneller die Berge hochzufahren als die Konkurrenz. Dazu kam es nicht. Basso, nach seinem Sieg beim Giro d'Italia der Favorit, wurde am Tag vor dem Start der Tour ausgeladen. Unter Dopingverdacht.

Kein Doping, nur ein Plan: Ivan Basso. (Foto: Foto: AP)

Er tat damals sehr empört. "Nie etwas mit Doping zu tun gehabt.'' - "Fuentes kenne ich gar nicht.'' Das Übliche. Ermittlungen folgten, wurden eingestellt, wieder aufgenommen. Basso hatte inzwischen ein neues Team, Discovery Channel. Als der Verdacht wieder hochkochte, suspendierte es ihn, wenig später trennte man sich. Am Montag hatte Basso seine zweite Anhörung vor dem Nationalen Olympischen Komitee Coni. Diesmal redete er. Die sieben Beutel, die Fuentes unter dem Decknamen Birillo gelagert hatte, enthielten sein Blut. "Ich selbst habe diesen Namen ausgewählt'', sagte Basso. "Birillo heißt einer meiner Hunde.''

Das Geständnis machte sofort die Runde, und die Reaktionen waren enthusiastisch. Da hatte tatsächlich einer die Doperei zugegeben! Kein Wasserträger, sondern ein Champion! ,,Doping - Basso gesteht'', titelte Gazzetta dello Sport und schwärmte von einem ,,epochalen Ereignis''. Die Repubblica ernannte den 29-Jährigen aus Varese zum ,,pentito'' des Radsports: Als ,,pentito'', Reuiger wird in Italien ein Mafia-Kronzeuge bezeichnet. Basso, so dichtete die große römische Tageszeitung weiter, könne nun ein Werbeträger für die Antidoping-Bewegung werden. Allerdings: ,,Wer aus der mafiösen Welt des Dopings aussteigt, riskiert viel. Vielleicht auch seine eigene Unversehrtheit. Deshalb könnte Basso nicht alles sagen wollen, was er weiß.''

Aber er weiß gar nichts, sagt er. Am Dienstag, auf einer eilig in einem Mailänder Hotel anberaumten Pressekonferenz, erschien Basso mit einem grünkarierten Hemd und festgezurrten Gesichtsmuskeln, die Entschlossenheit signalisieren sollten. Aber darin zu lesen war vor allem Anspannung.

"Man hat mich als pentito bezeichnet. Ich möchte aber klarstellen, dass mir keine Fragen über andere Personen gestellt worden sind. Im übrigen weiß ich auch nichts über die eventuelle Verwicklung meiner Kollegen. Über andere Profis haben wir gar nicht geredet.''

"Ich habe nicht gedopt"

Wo blieb da die "volle Kooperationsbereitschaft'' zur Aufdeckung eines der größten Skandale im Radsport, von der das Coni in einer Erklärung gesprochen hatte? Bei voller Kooperationsbereitschaft könnten durchaus einige gezittert haben, wenigstens für eine Nacht. Doch am nächsten Tag wurde der Graben zwischen Basso und den eisern schweigenden Männern des Radsports flugs wieder zugeschüttet. ,,Über andere weiß ich nichts'', sagte Basso.

Kein Beben, und dann sagte Basso auch noch: "Dass ich Fuentes mein Blut gegeben habe, war ein Moment der Schwäche. Aber ich habe nicht gedopt. Nie. Es handelt sich um versuchtes Doping. In meiner Karriere habe ich hunderte von Dopingstests über mich ergehen lassen. Nie wurde etwas gefunden.''

Versuchtes Doping, nicht mehr? Ein einzelner, fehlgeschlagener Versuch eines einzelnen, fehlgeleiteten Radprofis? Es hätte die Abrechnung mit dem maroden Profigeschäft werden können. Am Ende hörte man doch wieder nur die üblichen, unglaubwürdigen Verteidigungsreden.

Strafrabatt in Aussicht

Sicher, einmal ist nicht keinmal für die Sportgesetze. Dopen zu wollen wird ebenso hart bestraft wie zu dopen. Zwei Jahre und keinen Tag weniger solle Basso gesperrt werden, fordert die UCI. In Italien, dem Mutterland des ego te absolvo, wurde für Bassos so genannte Reue offenbar schon ein Jahr Strafrabatt in Aussicht gestellt.

Warum hat Basso gestanden? ,,Weil er den psychischen Druck nicht mehr aushielt'', sagt sein Anwalt. Man könnte auch meinen: Die erdrückende Last der Beweise. Seit Monaten stand Basso unter Verdacht, inzwischen war er so isoliert, dass ihm nur noch die Alternative blieb, unter den üblichen Beteuerungen die Karriere zu beenden (wie Jan Ullrich) oder zu retten, was zu retten ist.

"Ivan Basso ist kein Held, sondern einfach nur ein vernünftiger Mann'', sagt Coni-Chef Gianni Petrucci. Vernünftig genug, das Offensichtliche zuzugeben. "Immerhin'', findet Petrucci, ,,ist es doch ein Schritt in die richtige Richtung.'' Einen Tag nach Basso gab auch Michele Scarponi seine Fuentes-Kontakte zu und erklärte seine Zusammenarbeit mit der Sportjustiz. Der 28-Jährige war ebenfalls von der Tour 2007 ausgeschlossen worden.

Konsequenzen am Freitag

Schon am Freitag wird das Coni erste Konsequenzen für die geständigen Sportler verkünden. Dann wird die Staatsanwaltschaft ermitteln. Doping ist in Italien Straftatbestand. Spekulationen, Basso sei bei Reue Haftverschonung angeboten worden, gehen indes an der Realität vorbei. Kein Athlet wurde nach Inkrafttreten des Gesetzes vor sieben Jahren inhaftiert. Gefängnisstrafen werden erst nach der dritten Instanz wirksam - die nach langer Prozessdauer oft gar nicht erst erreicht wird.

Die Furcht vor dem Karriereende dürfte Basso also bewogen haben, den Namen seines Hundes zu verraten. ,,Meine Siege sind lupenrein'', beteuert er. ,,Und wenn meine Sperre abgelaufen ist, will ich wieder fahren.'' Am Samstag startet der Giro d'Italia. Man wird das Gefühl nicht los, er fährt an der Realität vorbei.

© SZ vom 9.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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