Rad-Sprinter Pascal Ackermann:Mann für die letzten Meter

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Im Frühjahr lag er nach diversen Stürzen noch auf dem Asphalt. Nun hat Sprinter Ackermann, 25, in Frankfurt gewonnen und peilt den nächsten Schritt an: einen Tagessieg beim Giro d'Italia.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Der dritte Renntag könnte etwas für Pascal Ackermann sein, diese 220 Kilometer durch die Toskana nach Orbetello. Oder vielleicht die kurze fünfte Etappe nach Terracina. Und auch die Abschnitte zehn und elf durch die Po-Ebene scheinen sich für seine Ziele zu eignen. Insgesamt sechs Streckenstücke aus der Kategorie "Flachetappe" hält der Giro d'Italia (11. Mai - 2. Juni) in diesem Jahr parat, und damit sechs Gelegenheiten für die besten Sprinter des Radsport-Pelotons auf einen Tagessieg. Aber wenngleich die Traditions-Rundfahrt schon in gut einer Woche beginnt, hat sich Pascal Ackermann mit den speziellen Profilen dieser Streckenabschnitte noch gar nicht näher beschäftigt.

"Ich muss gestehen, dass ich nicht reingeguckt habe. Mir wurde gesagt, die ersten beiden Wochen sind recht gut für mich", sagt Ackermann grinsend. Aber immerhin eines weiß er trotz seiner noch mangelnder Kenntnis der Streckenführung dann schon: "Ich will mindestens eine Etappe gewinnen beim Giro, und ich denke, dass ich auf einem guten Weg bin."

Am Mittwochabend in Frankfurt sagte Ackermann diese Sätze. Und er hatte dabei durchaus frische Argumente für seine optimistische Grundeinstellung vor seiner ersten großen Landes-Rundfahrt. Gerade hatte er im Massensprint den Rad-Klassiker rund um Frankfurt gewonnen, als erster Deutscher seit 2011 und knapp vor Landsmann John Degenkolb. Sein Bora-Team hatte das Rennen stets unter Kontrolle, gut sei er über die schweren Taunus-Schleifen gekommen, besonders gut über die letzte, weil sie da am Anstieg seinen Liederwunsch ("Mama Laudaaa") gespielt hatten, wie Ackermann hinterher berichtete. Und im Finale, in der Nähe der Alten Oper in Frankfurt, profitierte er zwar von einem taktischen Fehler des letztlich drittplatzierten Norwegers Alexander Kristoff, aber stark war es trotzdem, wie Ackermann Rang eins behauptete.

"Lieber vorne sterben, als hinten nix erben": Pascal Ackermann (links) befolgt auch in Frankfurt seine Offensiv-Devise. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Es war ein wichtiger Sieg für den Sprinter, weil er gerade keine ganz einfache Zeit hinter sich hat. Im vergangenen Jahr war der Pfälzer plötzlich in den Fokus der Rad-Szene gefahren und zur neuen deutschen Sprint-Hoffnung aufgestiegen. Neun Siege fuhr er ein, davon sechs bei World-Tour-Veranstaltungen, also Rennen der höchsten Kategorie - und deutscher Meister wurde er auch noch. In seinem Heimatort Minfeld, gleich gegenüber dem Elternhaus, heißt inzwischen sogar eine kleine Straße nach ihm.

Doch in der Saison 2019 lief es bisher nicht so glatt wie erhofft. Viele Stürze gab es, "vier in fünf Rennen", zuletzt bei der Tour of the Alps - inklusive eines schweren Blutergusses im Arm und kurzen Bedenken, ob er fit genug sei für den Giro. "Mein Frühjahr war nicht so wie geplant, von daher musste ich heute mal wieder zeigen, dass es geht. Deshalb bin ich jetzt erleichtert", sagte Ackermann in Frankfurt.

Ackermann wird in nächster Zeit wohl noch stärker im Fokus stehen. Die deutsche Radsport-Szene sortiert sich gerade neu - und das gilt insbesondere für die Sprinter, die in den vergangenen Jahren stets so stark auftrumpften. Marcel Kittel, 30, kommt seit seinem Wechsel zu Katjuscha überhaupt nicht mehr in Tritt und steckt nun schon seit Monaten in einer Formkrise. André Greipel ist bald 37 und damit im Herbst seiner Karriere angelangt. Am stärksten präsentiert sich aus der alten Garde noch John Degenkolb, 30, aber er war und ist halt kein klassischer Sprinter, sondern ein Allrounder, der auch am Ende schwieriger Streckenverläufe noch sehr schnell sprinten kann.

Pascal Ackermann. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Daher scheint in diesem Sektor der Weg frei zu sein für Ackermann, 1,80 Meter groß, mit dem idealen Wettkampf-Gewicht von 77 Kilo. Er präsentiert sich jedenfalls oft gut gelaunt und als eher forscher Draufgänger, der etwas riskiert: "Lieber vorne sterben, als hinten nix erben, das ist die Art, wie ich fahre", sagt er. Manchmal produziert diese Art aber auch einen irritierenden Satz, wie vor zwei Jahren, als er einem Fach-Portal in einem Fragebogen auf den Vorhalt "Auf welche Frage willst du nie wieder antworten müssen?" hin antwortete: "Das Thema Doping. Gerade Leute, die nicht so viel mit Radsport zu tun haben, fragen mich als erstes zum Thema Doping. Das nervt." Das ist nun eher nicht der Ansatz, der ob es des chronisch verseuchten Pelotons angemessen erscheint.

Aber zu forsch will Ackermann sich gerade noch nicht geben. Auf die Frage, wie er denn den Satz "Der derzeit beste deutsche Sprinter heißt ..." beenden würde, sagt er in Frankfurt nicht etwa: Pascal Ackermann. Sondern: "Das ist ganz unterschiedlich, kommt aufs Rennen an." Eine klare Nummer eins gebe es "definitiv nicht". Und Kittel, Degenkolb und Greipel seien ja noch nicht weg. Zudem weiß Ackermann selbst auch: Richtig ernst genommen werden Sprinter erst, wenn sie auch bei den großen Landesrundfahrten reüssieren - wie dem Giro.

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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