Portugal gegen Frankreich:Henry fällt, Zidane trifft

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Dank eines Foul-Elfmeters darf "Zizou" weiter von einem glorreichen Abgang von der Fußball-Bühne träumen: In seinem vorletzten Spiel schlägt die Grande Nation einfallslose Portugiesen mit 1:0 und zieht ins Finale ein.

Christian Zaschke

In der letzten Viertelstunde versuchten es die portugiesischen Stürmer, indem sie im Strafraum der Franzosen öfter einmal umfielen. 0:1 lagen sie zurück durch einen Elfmeter, den sie als unberechtigt ansahen, und nun schien es, als hofften sie, der Schiedsrichter werde die Ungerechtigkeit ausgleichen und einen zweiten zweifelhaften Strafstoß geben.

Das tat Jorge Larrionda jedoch nicht, und deshalb blieb es beim 0:1 (0:1) aus Sicht der Portugiesen, was bedeutet, dass die Franzosen am Sonntag das Finale der WM gegen Italien bestreiten.

Beinahe wäre das erste Tor dieser Partie nach rekordverdächtiger Zeit gefallen. Der Sekundenzeiger hatte die Uhr noch nicht einmal umrundet, als Florent Malouda mit dem Ball auf der linken Seite des portugiesischen Strafraums auftauchte. 14 Meter war er vom Tor entfernt, er schaute kurz, dann schoss er rechts neben das Tor.

Ein durchaus erstaunlicher Auftakt für ein WM-Halbfinale, von dem man ob der großen Bedeutung einen langsamen Beginn erwarten kann, weil beide Mannschaften zunächst einmal abwarten, wie der Gegner sich verhält.

Daran erinnerten sich Franzosen und Portugiesen nach der frühen Chance, sie gingen es erst einmal recht gemächlich an, wobei die Franzosen den Portugiesen in punkto Gemächlichkeit leicht überlegen waren. So konnte Cristiano Ronaldo den Ball mit der Hacke zu Maniche ablegen, dessen Schuss aus 22Metern knapp über das Tor strich.

Ansonsten fiel in der Anfangsphase vor allen Dingen auf, dass die französischen Fans ein gutes Gedächtnis haben. Wann immer Cristiano Ronaldo den Ball berührte, begannen sie lautstark zu pfeifen. Die Fans erinnerten sich an ein U21-Länderspiel zwischen den beiden Ländern aus dem Jahr 2003, das in einer Prügelei endete.

Anschließend nahmen die portugiesischen Spieler noch die Kabine auseinander. Ronaldo war damals dabei, was ihm die Franzosen bis heute übel nehmen. Trainer der französischen U21 war damals übrigens der heutige Nationaltrainer Raymond Domenech.

Ronaldo zeigte sich von den Pfiffen unbeeindruckt, gemeinsam mit Deco kurbelte er das Offensivspiel der Portugiesen an. Das sah bisweilen sehr flüssig aus, zielstrebig sogar, wenn auch nur bis zum letzten Pass - denn es war deutlich zu sehen, dass den Portugiesen der effektive Empfänger dieses letzten Passes fehlt, der Torjäger.

Chancen entstanden daher meistens bei Schüssen aus der Distanz, Luis Figo probierte es einmal (16.), und in Anbetracht des nicht immer sicheren Tormanns Fabien Barthez schienen Fernschüsse ein durchaus probates Mittel des Angriffs zu sein.

Nicht so aktiv

Die Franzosen waren nicht so aktiv wie gegen die Brasilianer, aber sie verfügen in ihren Reihen über Thierry Henry, einen Stürmer von Weltklasse. Der hatte sich im Laufe der ersten Halbzeit drei Möglichkeiten erarbeitet (14., 21., 28.), bevor er erneut dem portugiesischen Strafraum zustrebte.

Alles ging sehr schnell, Henry überquerte die Strafraumlinie, Verteidiger Ricardo Carvalho ging dazwischen - eine Gelegenheit, die Henry dankbar ergriff: Er fiel. Es war wie so oft bei dieser WM: Man konnte den Elfmeter geben, aber musste sicherlich nicht. Zinedine Zidane legte sich den Ball zurecht, es schien, als würde er die linke Ecke sehr genau anvisieren, bevor er den Ball zum 1:0 hineinschoss (33.).

Portugal antwortete wieder mit Fernschüssen, Barthez musste bei einem erneuten Versuch von Maniche aus 22 Metern nachfassen (36.). Davon abgesehen bekam der Torwart der Franzosen erstaunlich wenig zu tun. Als Ronaldo sich einmal eindrucksvoll in den Strafraum durchgedribbelt hatte und einen Schuss abgab, warf sich ein Verteidiger dazwischen und nahm Barthez auf diese Weise die Arbeit ab (39.).

Kurz schienen die Franzosen zu merken, dass sie auch wieder am Spiel teilnehmen könnten. Henry schoss aus kurzer Distanz, und Ricardo hätte den Ball beinahe ins eigene Tor gelenkt (48.). Eine Minute später ließ Franck Ribery sein Können aufblitzen: Er stand mit dem Rücken zum Tor, 20 Meter entfernt, Annahme, Drehung und Schuss waren eine Bewegung, doch Ricardo wehrte mit der Faust ab. Anschließend geschah etwas Erstaunliches: Die Partie schlief ein.

20 Minuten lang entwickelte sich ein Spiel, bei dem auch eine Mannschaft hätte mithalten können, die sonst in dem Stadion auftritt: der TSV 1860 München. Das ist ein wenig erstaunlich, wenn man bedenkt, welche Spieler auf dem Platz standen, und dass es sich bei der Partie um das Halbfinale einer WM handelte. Mit dem Fachbegriff "Grottenkick" war diese Phase treffend beschrieben.

Etwas mehr Leben kam in den letzten 20 Minuten in die Partie, weil die Portugiesen dann doch nicht einfach so verlieren wollten. Einen Freistoß von Ronaldo ließ Barthez vom Körper prallen - der sich anschließende Kopfball von Figo strich übers Tor (77.). Das war die letzte Großchance der Portugiesen, die in den letzten Minuten der Partie bei ihrem vergeblichen Anrennen von den Jubelgesängen der französischen Fans begleitet wurden.

© SZ vom 6.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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