Para-Sport:Jenseits von Schickimicki

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Andrea Eskau holt Gold bei der Rad-WM. (Foto: imago/Beautiful Sports)

Andrea Eskau, im Februar noch Paralympics-Siegerin im Biathlon und Langlauf, holt auch bei der Rad-WM eine Medaille - und wirbt leise für ihren Sport.

Von Sebastian Fischer

Andrea Eskau ist im Frühjahr auf Mallorca etwas passiert, was sie in ihrer langen Laufbahn als Leistungssportlerin selten erlebt hat: Sie wurde ständig erkannt. Wenn sie im Rollstuhl in die Hotellobby fuhr, so erzählt sie es, dann habe sie die Leute raunen gehört. Sie sind doch die..., so fingen die Sätze der meisten deutschen Urlauber an. Sie endeten mit der Frage: Aber was machen Sie denn hier?

Ja, antwortete Eskau dann vergnügt bis gerührt: Ich bin die Biathletin und Langläuferin, die bei den Paralympics die Fahne trug und zwei Gold-, drei Silber- sowie eine Bronzemedaille gewonnen hat. Aber ich bin auch die Handbikefahrerin, die sich jetzt schon wieder auf die Weltmeisterschaften im Sommer vorbereitet.

Wow, sagten die Menschen dann. Oder so etwas ähnliches.

Eskau, 47, hat am Donnerstag bei den Weltmeisterschaften der paralympischen Radsportler in Maniago/Italien im Einzelzeitfahren die Silbermedaille gewonnen. "Noch okay", nennt sie ihr Abschneiden, sie hat eben hohe Ansprüche, doch sie war in der Vorbereitung zwei Wochen lang durch eine Viruserkrankung geschwächt. An diesem Samstag will sie im Straßenrennen noch mal vorne mitfahren. Das erste Gold für die deutsche Mannschaft gewann am Freitag Michael Teuber, 50, es war seine insgesamt 20. WM-Medaille und der zehnte Titel im Einzelzeitfahren.

"Ein Meilenstein", sagte er, "man schaut an solchen besonderen Tagen auf seine bisherige Karriere zurück und denkt: Wow."

Dass viele Leute so etwas denken, darauf ist der Behindertensport besonders in den Zeiten zwischen den Paralympics angewiesen, wenn die Wettkämpfe nicht im Fernsehen übertragen werden. Eskau, seit 1998 querschnittgelähmt, seit 2002 Behindertensportlerin, insgesamt achtmalige Goldmedaillengewinnerin bei Paralympics, ist im 16. Karrierejahr zur Botschafterin ihres Sports geworden.

Aber das macht sie auf ihre eigene Weise. Über persönlichen Kontakt wie auf Mallorca freut sie sich, "wir sind diese Aufmerksamkeit ja nicht gewohnt". Zur Ehrung beim Bundespräsidenten war sie, weil es ihre "Pflicht als Bundesbürgerin" war. Die Einladung zur Bambi-Preisverleihung wird sie eher nicht annehmen, "zur Goldenen Henne gehe ich auch nicht". Das bedeute ja einen Trainingstag Verlust, "das geht gar nicht". Außerdem habe sie gar kein schickes Kleid, sagt Eskau. "Ich fühle mich mit Schickimicki nicht wohl. Ich fühle mich auf meinem Fahrrad wohl."

Ihre Botschaft geht so, dass sie einfach nicht mit dem Sport aufhört, der sie glücklich macht. Sie trainiert bereits wieder parallel für den Winter, zweimal täglich mit dem Schlitten auf Rollen. Und die WM-Silbermedaille ist vor allem deshalb wichtig, weil sie Punkte bringt: für die Qualifikation für die Paralympics in Tokio im Sommer 2020.

© SZ vom 04.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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