Olympische Winterspiele 2014:Schaulaufen mit unerlaubten Hilfsmitteln

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Geld, Geld und nochmal Geld: Im Wettstreit der drei Bewerberstädte wurde mit vielen hässlichen Tricks versucht, die Konkurrenten auszustechen. Salzburg versuchte es mit Authentizität - und ging unter.

Thomas Kistner

Heinz Schaden trat in die Pedale im Fitnessraum des Hotels, schaute CNN und fiel fast vom Fahrrad: Allein während dieses Trainings, klagte Salzburgs Bürgermeister, habe er "vier oder fünf Werbespots" der Konkurrenzstädte Sotschi und Pyeongchang gesehen. Laut Regeln war Reklame so kurz vor der Kür in Guatemala-City verboten. Nur Salzburg hielt sich daran.

Die Salzburger warben stattdessen mit Authentizität und Wintertradition, eingebettet in jene Alpen, die die Rivalen nur am Computer kopierten: das Skigebiet "Alpensia" etwa, das Pyeongchang im Angebot führte. Außerdem hatte Team Austria einen finanziellen Trumpf von einer halben Milliarde Dollar in der Hand: NBC, US-Haussender von Olympia, wollte die Spiele nach dem Quoten-Flop in Turin 2006 unbedingt in Salzburg sehen.

NBC setzte die Unterzeichnung der neuen TV-Verträge 2014 und 2016 aus und drohte mit Mittelkürzungen, falls die Reißbrettexperimente im Kaukasus und Südkorea zum Zuge kämen. Am Abend vor der Kür saßen Werber und Fernsehleute zusammen, ihre Hochrechnung ergab: Es sieht ganz gut aus für Kandidat Austria.

An Putin die Zähne ausgebissen

Am Ende siegte die olympische Wirklichkeit. Nur ein Viertel der IOC-Mitglieder war für Salzburg und ein gesichertes Sportfest. Der große Rest focht lieber eine Marktschlacht, die sich auf das Duell Gazprom/Samsung verkürzen lässt: Hier die Oligarchen um Wladimir Putin, dort die Chaebols um Samsung-Chef Kun Hee Lee, der praktischerweise selbst im IOC sitzt. Bis 2005 hatte das IOC drei südkoreanische Mitglieder; einer, Kim Un Yong, wurde wegen Korruption verurteilt und musste gehen. Auch Samsung-Chef Lee und Park Yong Sung, Manager der Doosan-Gruppe, wurden verurteilt, durften aber im IOC bleiben.

Staatschef Roh schwor Koreas wichtigste Konzernlenker auf die nationale Sache ein. Bald schwärmten Firmenemissäre nach Afrika und Lateinamerika aus, investierten in neue Sportprojekte und in sogenannte Entwicklungshilfe; gut 40Millionen Dollar sollen geflossen sein. So ließen sich die Voten derjenigen einsammeln, die mit Wintersport wenig am Hut haben.

Je näher die Kür rückte, desto nervöser wurden Pyeongchangs Werber. Im Frühjahr, heißt es in IOC-Kreisen, sollen sie dessen Mitglied Nora von Liechtenstein eine Zahlung an ihre Stiftung offeriert haben. Das sei nicht mehr ihre Welt, wurde die Prinzessin zitiert. In Guatemala fehlte sie.

Doch an Putin biss sich selbst Pyeongchang die Zähne aus. Meldungen über Gräueltaten in Tschetschenien, die IOC-Mitgliedern zugeschoben wurden, änderten daran so wenig wie ein letzter Vorstoß der Koreaner, den Winterverbänden Werbeverträge anzudienen. Putin hatte die Fäden in der Hand. Schon im Herbst 2006 hatte Putin dem IOC mitteilen lassen, der Energiekonzern Gazprom stünde jederzeit als Sponsor bereit.

"Außer Kontrolle"

Sotschi betrieb gezielt Personalabbau bei Konkurrent Salzburg, kaufte angeblich sogar dessen Bewerbungschef Fedor Radmann heraus. "Absurd", sagt Radmann, der im Januar 2007 überraschend wegen Krankheit zurückgetreten und in die Schweiz umgezogen war. Dass es zumindest Versuche der Russen gab, Radmann "rüberzuziehen", bestätigt jedoch Bürgermeister Schaden.

In Guatemala gab Sotschi dann alles. Eine Antonow flog 70 Tonnen Material ein, eine riesige Freiluft-Eislauffläche wurde im Tropenland installiert, deren Besuch den IOC-Mitgliedern von ihrer Ethikkommission verboten wurde. Nicht alle hielten sich daran, allabendlich lockten dort Kaviar, Tanz und nette Damen. Dann kam Putin selbst und brach die letzten Dämme: Er führte IOC-Mitglieder reihenweise aus, noch ein Regelbruch, der niemanden scherte.

Kurz vor der Kür sagte der Norweger Gerhard Heiberg, das Bewerbungsprozedere sei "außer Kontrolle" geraten. Der Chef der IOC-Marketingkommission machte Bestechung aus. Acht Jahre nach seinem letzten, großen Korruptionsskandal fand das IOC in die alte Spur zurück.

© SZ vom 6.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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