Olympia:Strand, Palmen und Beschwichtigungen

Lesezeit: 3 min

100 Tage vor Beginn der Sommerspiele präsentiert der Deutsche Olympische Sportbund sein Outfit für Rio. Drumherum gibt es allerdings unangenehme Themen.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Vor der Messehalle am Rhein stand am Dienstag ein Indianer und rauchte. Er muss ein Sioux gewesen sein, jedenfalls hießen die schwarz-rot-goldenen Schuhe so, die deutsche Olympia-Athleten drinnen im Rahmen einer schmissigen Show als Bestandteil ihres umfangreichen Olympia-Outfits präsentierten. Der Indianer wirkte entspannt, anders als Michael Vesper, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Vesper musste am Rande der fröhlichen Präsentation viele Fragen rund um die Olympischen Spiele im August in Brasilien beantworten. Die Fragen vermittelten eine Menge Skepsis. Vesper mühte sich um Beschwichtigungen.

Es ging in den Fragen um tödliche Arbeitsunfälle in Rio, um unfertige Sportstätten, gedopte Russen, die Terrorgefahr, die brasilianische Regierungskrise und das Zika-Virus. Vesper sagte, zusammengefasst: "Tödliche Arbeitsunfälle machen natürlich betroffen; die Sportstätten sind noch immer überall rechtzeitig fertig geworden; wir wollen russische Konkurrenten nicht pauschal ausschalten, aber gleiche Bedingungen für alle; der Terrorgefahr sollte mit Augenmaß begegnet werden; die Regierungskrise wird die Spiele nicht beeinträchtigen - und die Mücke, die das Virus überträgt, ist im brasilianischen Winter längst nicht so aktiv wie im Sommer."

20 000 Euro erhält ein deutscher Olympiasieger - deutlich weniger als in anderen Nationen

Zuversicht passte am Dienstag zum Anlass des Tages, denn in der Sport- und Modestadt Düsseldorf zeigten ausgewählte deutsche Athleten, in welchem Outfit sie im Sommer in Rio de Janeiro gedenken, Medaillen zu gewinnen und die Feiern zu besuchen. "Ich bin megabegeistert von der Kleidung", sagte strahlend etwa die Marathonläuferin Anna Hahner, "die Sachen sind supercool und superbequem, die Kollektion ist jung, frisch, sportlich und primär in den Farben Schwarz, Rot und Gelb." Ob sie sich Sorgen mache um ihre Sicherheit in Rio, wurde sie noch gefragt. "Mir geht es darum, sicher laufen zu können - und ich denke mal, das wird klappen."

Wenn es ihm nur um die sichere Absolvierung einer 42,195 Kilometer langen Strecke ginge, dann wäre DOSB-Chef Vesper vermutlich genauso entspannt wie der rauchende Indianer und die Marathonläuferin Anna Hahner. Doch die Probleme und Herausforderungen bleiben exakt 100 Tage vor der Eröffnungsfeier am 5. August auf hohem Niveau akut. Auf Viren, Sportstättenbau und Terror hat Vesper allerdings nur sehr begrenzten Einfluss. Deshalb klang er allenfalls pauschal beruhigt, als er die Klagen der Bootssportler über kloakige Gewässer oder die Leiden der Turner über unzumutbare Bedingungen kommentierte. Mit den Gerüchten über unfertige Sportstätten, sagte er, sei das schon immer so gewesen, "und dann waren sie doch immer pünktlich fertig". So erwarte er das auch diesmal.

Mit Blick aufs Sportliche zeigte sich Vesper deutlich zuversichtlicher - und recht faktensicher: Unter den insgesamt etwa 10 500 Athleten aus 206 Nationen, die in den 306 Entscheidungen von 28 Sportarten um Gold, Silber und Bronze kämpfen, seien voraussichtlich etwas mehr als 450 deutsche Sportlerinnen und Sportler. "Ich hoffe, wir werden die 44 Medaillen von London 2012 wieder erreichen", sagte Vesper, "und vielleicht auch ein kleines X drauflegen." Den offiziell publizierten "Zielkorridor" für die "Medaillenprognose" habe man allerdings soeben "von 40 bis 70 auf 38 bis 68 korrigieren müssen", erklärte Vesper und begründete dies unter anderem mit der verpassten Qualifikation der Volleyballer. Trotzdem sei die deutsche Abordnung mit den gut 450 Athleten und etwa 300 Betreuern "diesmal sehr groß". Etwa neun Millionen Euro kostet Olympia den DOSB in diesem Jahr. 20 000 Euro bekommt jeder Goldgewinner als Prämie. "Das ist eine Anerkennung und deutlich weniger als in anderen Nationen", sagte Vesper beinahe entschuldigend.

Um Goldprämien ging es freilich weniger, als Athleten am Dienstag äußerten, die Modenschau in der Messehalle habe einen Vorgeschmack auf das olympische Feeling gegeben. "Ich freue mich darauf, das heute von mir präsentierte Trainingsoutfit im Sommer noch häufiger zu tragen", sagte Handballer Steffen Weinhold etwas arg nüchtern und erfüllte den Kamerateams auch nicht den Wunsch, deutsches Handball-Gold auszurufen. "Wir sind schon glücklich, einer von zehn Medaillenkandidaten zu sein", sagte der Kieler.

Die Handballer werden, wie alle anderen Athleten, zumindest auf eine individuelle Würdigung im Deutschen Haus hoffen. Das steht, mit viel Holz, Palmen und Reetdach verkleidet, direkt am Barra Blue Beach im Süden Rios und könnte einer fröhlichen Werbung für Rum oder Eiscreme entliehen sein. Auch die etwa 150 deutschen Athleten für die Paralympics vom 7. bis 18. September werden die überdimensionale Strandhütte als Basis nutzen. "Wir erwarten Sommerspiele mit brasilianischem Flair", sagte Vesper und sprach seinem Kollegen Friedhelm Julius Beucher, dem Präsidenten des Deutschen Behinderten-Sportverbands, damit aus der Seele.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: