Olympia:Spiel mit dem Feuer

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Die Olympische Fackel ist erst eine Woche unterwegs - und schon beleuchtet sie die Mechanismen der chinesischen Propaganda.

Thomas Hahn

Am Sonntag um zwölf marschierte die griechische Präsidentengarde ins Panathinaikos-Stadion von Athen, in traditioneller Uniform, und die nächste Zeremonie dieses vermeintlichen Olympischen Traums begann. Es folgte ein etwas steifes Schauspiel unter Beteiligung der Hohepriesterin Maria Nafpliotou, die in Wahrheit Schauspielerin ist, sowie mit mehreren Präsidenten: mit dem griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias, dem Präsidenten des griechichen Olympischen Komitees, Minos Kyriakou, und dem Präsidenten des Pekinger Olympia-Organisationskomitees (Bogoc), Liu Qi. Ein paar rituelle Akte, Hymnen und routinierte Ansprachen später war die olympische Flamme dann glücklich von griechischer in chinesische Obhut gebracht. Die Präsidenten gingen aus dem Stadion, und das Protokoll auf der Bogoc-Website vermerkte: "Die Zeremonie endet erfolgreich."

Chrysopygi Devetzi bei der Übergabezeremonie im Athener Panathinaiko-Stadion (Foto: Foto: dpa)

Das Spiel mit dem Feuer nimmt seinen Lauf. Seit einer Woche ist die Flamme unterwegs, ist nach ihrer Entzündung von Olympia über Metsovo, Thessaloniki und Volos nach Athen gekommen, ehe sie diesen Montag in Peking landet. Und natürlich gibt es ständig Anlass für die chinesischen Olympia-Organisatoren und deren Partner, Erfolge und glücklich zu Ende gebrachte Feierlichkeiten zu vermelden. Aus ihrer Sicht stimmt das sogar, man muss nur gut genug wegschauen, um zu übersehen, dass die Wirklichkeit noch etwas anderes bereithält als olympisch bewegte Feuerläufer und zufriedene Granden. Proteste und Debatten um die chinesische Art, die Menschenrechte zu interpretieren, begleiten die Fackelstaffel, die angeblich alle Menschen friedlich vereint. Ein Aufgebot von 2000 Polizisten hat sie deshalb auch am Samstag auf der Akropolis bewacht, was nicht ganz dazu passte, dass Kyriakou die Proteste einer "super, super Minderheit" zuschrieb.

Immerhin hat man in dieser Woche einen ganz guten Eindruck bekommen davon, wie die Herren der Ringe sich ihren Weg bahnen wollen durch diesen Parcours von Einwänden gegen Chinas KP-Diktatur. Durch Aussitzen, durch beharrliches Weiterfeiern. Und durch gezielte Fehlinformation über Chinas Staatsmedien. Die kanadische Nachrichten-Agentur Canadian Press hat diesbezüglich einen ziemlich interessanten Überblick gegeben. Demnach fanden die Proteste in Chinas Zeitungen und Fernsehen gar nicht statt. Nicht einmal die Störungen einzelner Aktivisten während der Entzündungszeremonie in Olympia, was das französische Fernsehen veranlasste, bei der Europäischen Rundfunk-Union Garantien dafür einzufordern, dass die Spiele-Übertragungen ohne Verzögerungen der chinesischen Zensur stattfinden.

Wie die chinesische Propaganda funktioniert, kann man auf der Internetseite von China Daily, dem Verlautbarungsorgan der KP-Regierung, verfolgen. Dort findet eine seltsam einseitige Darstellung der Tibeter Unruhen nach dem 10. März statt. Dort erscheinen auch die jüngsten Boykott-Debatten in Europa in etwas schiefem Licht: Regierungschefs, die der Eröffnungsfeier fernbleiben wollen, stehen wie hoffnungslose Außenseiter da. Dafür kommen Boykott-Gegner ausführlich zu Wort, etwa der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Dass Steinmeier und die anderen Außenminister der Europäischen Union China zum Dialog mit dem Dalai Lama, dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, auffordern und Medien-Freiheit in Tibet anmahnen, ist kein Thema. So erklärt sich auch, warum viele Chinesen die Kritik aus dem Westen nicht verstehen.

Und so geraten vor dem Auge der kritischen Öffentlichkeit auch jene etwas in Bedrängnis, die im Urvertrauen auf die Olympische Idee nicht einmal die nachvollziehbare Forderung der Tibeter ernst nehmen, die Fackelstaffel nicht unbedingt durch Lhasa und auf den Mount Everest zu schicken. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat nach der Kritik aus Frankreich die Chinesen gebeten, verzögerungsfreie Live-Übertragungen zu versprechen. Ansonsten aber marschieren die Partner geschlossen der chinesischen Olympia-Party entgegen.

Auch das sogenannte "Positionspapier des Deutschen Olympischen Sportbundes", welches der DOSB auf seiner Präsidiumssitzung am 22. März beschlossen hat, wirkt zur Zeit etwas sehr diplomatisch. Darin übergibt sich der DOSB ganz der Umsicht seines Dachverbandes IOC, verweist auf die Kraft der Spiele und auf die fehlende politische Macht des Sports. "Dem DOSB ist bewusst, dass die Menschenrechtessituation in China trotz feststellbarer Verbesserungen in den letzten Jahren nach wie vor nicht zufriedenstellend ist", heißt es in dem Papier. Das ist schon sehr vorsichtig ausgedrückt, wenn Chinas fragwürdige Informations- und Tibetpolitik so offen zu Tage tritt. Oder will Thomas Bach, DOSB-Präsident und IOC-Vize, nur höflich sein gegenüber den chinesischen Geschäftspartnern des Weltsports? Die Botschaft dieser vorolympischen Tage ist klar: In der Sportpolitik funktioniert Chinas Propaganda ganz gut.

© SZ vom 31.3.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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