Olympia: Slalom der Frauen:Gemeinsam sind sie stark

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"Man muss sich brutal reinhauen": Maria Riesch, Susanne Riesch, Fanny Chmelar und Christina Geiger - jede aus dem deutschen Slalom-Team ist für eine Medaille gut.

Wolfgang Gärner, Whistler

"Der Freitag mit dem Slalom wird ein Scheißtag", sagt Mathias Berthold, Cheftrainer der deutschen alpinen Skifrauen, "denn für Freitag haben sie Regen ohne Ende angesagt." Für seine beste Fahrerin kompliziert sich die Lage zudem dadurch, dass der zweite Riesenslalom-Durchgang auf Donnerstag verschoben wurde - was sie allerdings nach dem Triumph von Viktoria Rebensburg ganz gut verkraften sollten. Dennoch, am Donnerstag wollten sie ja eigentlich das tun, wozu sie sonst vor lauter Rennen kaum kommen: Slalom trainieren. Das mache ihr nichts aus, sagt Maria Riesch: "Ändern können wir es ohnehin nicht, und für den Slalom fühle ich mich fit!"

Seitdem Maria Riesch in Maribor im letzten Weltcupslalom vor Olympia Dritte wurde hinter den Damen Zettel (Österreich) und Maze (Slowenien), sind fünfeinhalb Wochen vergangen, was eine lange Zeit ist in einem Genre, in dem sich die Termine normalerweise jagen. Ihre drei Jahre jüngere Schwester Susanne hatte nach Maribor Pause gemacht, die Slalomski in die Ecke gestellt, dann fuhr sie ein paar Riesenslaloms der unteren Ligen. "Es wichtig, dass man im Rennrhythmus bleibt", sagt sie. "Die lange Zeit von Maribor bis Whistler war kein Grund, dass man rausgebracht wird."

Ihre Partenkirchner Klubkollegin Fanny Chmelar pflichtet bei: "Es ist nicht so, dass die Spannung abfällt." Felix Neureuther hingegen sagte, bei ihm sei das durchaus so gewesen. "Ihm fehlt halt das Team", sagt Frau Chmelar. Wenn die deutschen Frauen trainieren, entstehe nämlich schon dadurch Rennatmosphäre, dass sie das im Rennanzug und mit Startnummern machen. Dass Neureuther eine Startnummer trüge, wenn er mutterseelenallein durch den Trainingskurs fräst, würde allerdings ein bisschen skurril wirken.

Die deutschen Frauen sind im Slalom breiter aufgestellt als jede andere Equipe, das führte dazu, dass im Trainingslager der Spezialistinnen auf der anderen Seite des Gebirges in Nakiska intern auch ein richtiges Rennen stattfand: die Qualifikation um den vierten Startplatz, in der Fanny Chmelar und Christina Geiger aus Oberstdorf sich gegen die Germeringerin Katharina Dürr durchsetzten. "Die Anspannung war genau so hoch, wie sie im Olympiaslalom sein wird", berichtet Susanne Riesch. Zweifel an dieser Theorie sind angebracht.

"Schön", sagt Fanny Chmelar, "dass man innerhalb der Mannschaft Orientierungspunkte hat", das ist zuerst Maria Riesch, die Weltmeisterin, dann deren Schwester, die kürzlich in Flachau erstmals führte im Weltcup nach dem ersten Durchgang (im zweiten leider ausschied). "Gut", sagt Susanne Riesch, dass man so gefordert werde im Team: "Auch wenn man zu den besten der Weltrangliste gehört" (wie sie als Sechste im Slalomweltcup) "muss man sich bei uns im Training brutal reinhauen, immer. Dass vier oder sechs hinter einem stehen, die einen schlagen können, puscht einen noch mehr. Man darf sich keine Fehler erlauben. Der Druck im eigenen Team ist sehr wichtig."

Dieses Binnenklima habe die deutschen Slalomistinnen dazu gebracht, "dass eigentlich alle" auch am Freitag in der Lage seien, eine Medaille zu holen, sagt Anführerin Maria Riesch. "Denn alle fahren einen sehr schnellen Schwung. Tina und Fanny haben keinen Druck, Susi hat bewiesen, dass sie auf dem Podest landen kann, und ich selbst habe meine Mission bei Olympia schon erfüllt und kann ganz befreit auffahren."

Tatsächlich ist die Mission noch nicht beendet, denn für sie als Führende im Slalom-Weltcup wäre alles andere als der Anspruch auf eine Medaille Understatement, bestätigt sie. Vor einem Jahr wurde sie Weltmeisterin in Val d'Isère, weist aber neuerdings gerne darauf hin: "Die bestechende Slalomform von damals habe ich nicht mehr." Damals zelebrierte sie die erstaunliche Serie von vier Siegen hintereinander, im neuen Winter blieb es erst mal bei dem einen vom ersten Rennen von Levi, dazu kamen drei Podestplätze.

Testlauf in der Kombination

Die Slalomszene habe sich verändert, seitdem sie ihren ersten großen Titel gewann, sagt Maria Riesch. "Man findet wieder mehr Spezialistinnen im Ranking ganz vorne", nicht nur die im Vorwinter invalid gewesene Österreicherin Marlies Schild, die nach ihrer Rückkehr ihre Heimrennen in Lienz und in der Flachau gewann. Auch die ehemalige Weltmeisterin Sarka Zahrobska (Tschechien) und die Französin Sandrine Aubert prägen das Geschehen.

Maria Riesch: "Mittlerweile hat man es als Allrounderin recht schwer, im Slalom konstant vorne mitzufahren." Weil wenig Zeit für das spezielle Slalomtraining bleibt. Donnerstag wurde diese Zeit schon wieder reduziert, des zweiten Riesenslalom-Durchgangs wegen. Kein Problem, sagte der Cheftrainer: "Machen wir's halt wie im Weltcup." Da sind auch Riesentorlauf und Slalom an zwei Tagen hintereinander, und nach dem ersten Rennen geht man Slalom trainieren.

Immerhin ist Maria Riesch, im Riesenslalom Zehnte, an diesem Berg vor acht Tagen schon mal Slalom gefahren, ein richtiges Rennen, in der Kombination. Laufbestzeit stellte eine dieser Spezialistinnen auf - Zahrobska. Riesch war aber auch nicht unzufrieden: "Da mein Lauf recht anständig war, nahm ich ein gutes Gefühl mit." Dass sie in der Addition von Abfahrt und Slalom Olympiasiegerin wurde, machte das Gefühl noch viel besser.

Nun geht es erst mal um Wetterfestigkeit, sagt Cheftrainer Berthold: "Es werden schwierige Bedingungen sein, und die muss man akzeptieren. Die Mädels dürfen am Morgen nicht zusammenstehen und jammern, sondern müssen die vorgegebene Richtung einhalten - egal, was passiert. Das können sie. An einem schönen Tag fährt sich's anders Slalom, als wenn es schüttet und die Piste nicht so gut ist." Man habe keinen Einfluss drauf, sagt Maria Riesch. Außerdem werden alle gleich nass.

© SZ vom 26.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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