Olympia: Maria Riesch:Die Ski-Königin von Whistler

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Maria Riesch gewinnt auch im Slalom Gold. Eine Sportlerin zwischen der Freude über den Sieg, dem Trost für die gestürzte Schwester und dem Stress einer Doppel-Olympiasiegerin.

Michael Neudecker, Whistler

Es ist immer ein Schauspiel im Deutschen Haus, wenn die Medaillengewinner kommen und sich aufs Podest setzen, um Fragen zu beantworten, noch mal, als gäbe es wirklich etwas, das sie noch nicht erzählt hätten. Bei manchen ist das Schauspiel größer, bei manchen nicht so groß, zum Beispiel bei den weiblichen Rodlern, was wohl daran liegt, dass es seit Jahrzehnten zum olympischen Programm gehört, dass die deutschen Rodlerinnen mit Medaillen herumlaufen.

Zu denjenigen, bei denen mehr los ist, gehört zum Beispiel die Biathletin Magdalena Neuner - oder auch die Skirennfahrerin Maria Riesch. Letztere kam am Donnerstagabend um kurz nach halb neun, um den Hals zwei Goldene, die eine von der Super-Kombination, und die andere vom Slalom, die ganz frisch gewonnene.

Im Grunde geht dann alles immer recht schnell, Maria Riesch stellt sich auf, die Fotografen auch, sie rufen, kommandieren, Maria hier drüben, Maria hier oben, die Medaille küssen bitte, einmal reinbeißen bitte, und was sollen sie auch sonst tun, so ist ja ihr Job. Maria Riesch ist ein Profi in solchen Momenten, sie gehorcht und sieht auf Kommando locker aus, ungestresst irgendwie, und dann kommen die Fragen.

Die am liebsten gestellte Frage deutscher Reporter nach Goldmedaillen ist die, was die Medaille nun für den deutschen Sport bedeutet, dicht gefolgt von der, wie das sei, sich in die Reihe der großen Ahnen einzureihen. Als dann auch noch ein Interviewer des US-Fernsehsenders CNN nach Katja Seizinger und Rosi Mittermaier fragte, drehte sich Maria Riesch kurz zur Seite, atmete tief durch, und dann entfuhr es ihr einfach: "I konn nimmer."

Aber so ist das nun mal als Doppel-Olympiasiegerin, "es ist schon stressig", sagt Maria Riesch. Dann lächelt sie, "mit zwei Goldmedaillen in der Tasche ist es aber schon viel leichter". Zwei Goldmedaillen, Maria Riesch ist die erfolgreichste Skirennfahrerin dieser Winterspiele von Vancouver, "da fehlen mir ehrlich gesagt die Worte", hatte sie gleich nach dem Rennen gesagt.

Und was war das für ein Rennen: Es schneite permanent in Whistler Creekside, aber es war auch nicht richtig kalt, deshalb war der Schnee nass, zu nass eigentlich, so dass sich Spuren an den Toren bildeten, "das mag ich gar nicht", sagt Maria Riesch. Sie fuhr Bestzeit im ersten Lauf, im zweiten aber schied dann erst ihre Schwester Susanne aus, an vierter Position gestartet und nun mit Bestzeit unterwegs, danach fuhr die drittplatzierte Österreicherin Marlies Schild eine Zeit, die plötzlich alles in Frage stellte für Maria Riesch.

Das mit ihrer Schwester hatte Maria Riesch oben, am Start, nicht mitgekriegt - Schilds Traumlauf dagegen schon, "die österreichischen Betreuer hinter mir haben so laut gejubelt, dass ich wusste, was los war", erzählt sie. Und dann fuhr sie los, die Sicht war schlecht, der Schnee sowieso, aber Maria Riesch ließ Stange um Stange hinter sich, und als sie im Ziel war, leuchtete auf der Anzeigetafel die "1" auf. Sie hatte auf Schild einen Vorsprung von 0,43 Sekunden herausgefahren.

Eine "wirklich ganz, ganz starke Vorstellung" sei das gewesen, kommentierte Alpindirektor Wolfgang Maier dementsprechend. Aber er war auch zwiespältig in seinen Emotionen, alle waren das im deutschen Team, gleich nach dem Rennen: Weil Susanne Riesch kurz vor dem Ziel gegen eine Stange gefahren war, und weil das so brutal zeigte, wie nah Glück und Unglück im Sport manchmal zusammenliegen. Im Zielraum nahm Maria Riesch ihre kleine Schwester in den Arm, eine herzzerreißende Szene war das, wie aus einem Kitschfilm, die kleine Riesch weinte so bitterlich.

Am Abend sah die Welt, wie das oft ist, zwar schon wieder besser aus, bayerisch-idyllisch ein bisschen. Im Kufenstüberl, einem Raum im Deutschen Haus, saß Familie Riesch zusammen, die Eltern waren am Vortag angereist, Susanne Riesch saß auch da, und dazu spielte eine Blasmusik-Kapelle. "Es geht ihr schon wieder besser", berichtete Maria Riesch, aber bis es ihr gut geht, wird es wohl noch dauern. Susanne Riesch ist diese Saison in bestechender Form, im entscheidenden Moment aber hatte sie bislang häufiger Pech, auch deshalb war ihre Enttäuschung so groß.

Der Slalom war der letzte Wettbewerb der Frauen bei Olympia, und dass er mit so einem Hin und Her der Gefühle endete, das passt zum Verlauf der Spiele. Im Riesenslalom zum Beispiel stand auf der einen Seite die strahlende Siegerin Viktoria Rebensburg, auf der anderen die enttäuschte Sechste Kathrin Hölzl. Dennoch war die Leistung der Alpin-Mannschaft der Frauen bei Olympia insgesamt sehr ordentlich: Drei Goldmedaillen haben sie geholt, und wenn man auch die beiden Siege der WM 2009 dazuzählt, dann waren die letzten fünf Medaillen der Frauen jeweils golden, "Wahnsinn", sagt Maria Riesch, "bei uns ist irgendwie alles gold".

Es ist natürlich nicht gesagt, dass es jetzt auch immer so weitergeht, aber die Chance dazu ist zumindest schon da: Das Team ist ja noch jung. Und Susanne Riesch wird über ihre Enttäuschung auch bald hinweggekommen sein.

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