Olympia:Kostenexplosion in Tokio

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Japans Rechnungshof kritisiert die Ausgaben für die Sommerspiele 2020. Offenbar betragen die zu erwartenden Belastungen mehr als das Doppelte der 10,5 Milliarden Euro, mit denen die Organisatoren operieren.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Olympia 2020 in Tokio, das würden vernünftige, kostengünstige und ökologisch verantwortungsvolle Sommerspiele werden. Das versprach das japanische Bewerberteam dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vor der Vergabe der Spiele. Japans Hauptstadt, so das Argument, verfüge bereits über fast alle Sportstätten, die zudem technisch auf dem höchsten Stand seien - anders als etwa in Istanbul und Madrid, die beiden Gegenkandidaten. Die Gesamtkosten bezifferte Tokio damals auf 768 Milliarden Yen, umgerechnet knapp sechs Milliarden Euro. Vorige Woche nun hat der japanische Rechnungshof die Kosten der Spiele auf 2,81 Billionen Yen (21,7 Milliarden Euro) geschätzt. Das ist mehr als das Doppelte der 10,5 Milliarden Euro, mit denen die Organisatoren operieren. Und jetzt schon fast das Vierfache des ursprünglichen Budgets.

Genau ließen sich die Kosten gar nicht ermitteln, stellte der Rechnungshof fest. Die Inspektoren entdeckten 286 Ausgabenprogramme der öffentlichen Hand, die in den letzten vier Jahren zumindest teilweise mit Olympia begründet wurden. Sie fanden sich in den verschiedensten Etats, einige wurden sogar versteckt. Viele Budgetposten würden in der Kostenanalyse des Organisationskomitees überhaupt nicht auftauchen, erläuterte der Rechnungshof, der den Chef des Organisationskomitees, den früheren Premierminister Yoshiro Mori, zu Transparenz ermahnte. Die Regierung hat 801,1 Milliarden Yen (6,2 Milliarden Euro) Staatsbeiträge für die Spiele budgetiert, unter anderem für Straßenausbau und Polizei. Umgerechnet 350 Millionen Euro sollen zur Förderung japanischer Olympiateilnehmer eingesetzt werden.

Auch die Stadt Tokio hat ihren Kostenanteil von den einst geplanten 600 Milliarden Yen mittlerweile um 810 Milliarden - auf 1,41 Billion Yen - mehr als verdoppelt. Das sind 10,8 Milliarden Euro.

Dabei wird angeblich sogar gespart. Das Nationalstadion soll nicht, wie zuerst vorgesehen, 2,7 Milliarden Euro kosten; das war das Dreifache dessen, was das Olympiastadions von London 2012 verschlang. Ursprünglich hatte es geheißen, das Nationalstadion von 1964 würde renoviert: Tokio, schon damals Olympiastadt, verfügte ja bereits über alle Wettkampfstätten. Doch 2015 wurde das Baudenkmal trotz lauter Proteste in aller Eile abgerissen. Man wollte Fakten schaffen. An seiner Stelle sollte ein postmodernes Stadion der inzwischen verstorbenen Stararchitektin Zaha Hadid entstehen: der "Fahrradhelm", wie die Tokioter spotteten. Das Projekt gefiel niemandem, wie die Organisatoren heute sagen. Damals schwiegen sie, bis Regierungschef Shinzo Abe das Projekt kippte - zu teuer, hieß es. Das Ersatzprojekt von Kengo Kuma darf 1,1 Milliarden Euro kosten, weniger als die Hälfte. Hadids Büro kassierte 60 Millionen Euro Entschädigung. Ihr Fahrradhelm wäre allerdings auch deshalb so teuer geworden, weil darin Nebenprojekte versteckt worden waren. Das Olympische Komitee Japans wollte sich im neuen Stadion heimlich ein neues Hauptquartier mitbauen lassen - auf Kosten der Steuerzahler. Da sich der Bau des Stadions verzögert hat, können nun, anders als geplant, im kommenden März keine Spiele der Rugby-Weltmeisterschaft im Nationalstadion stattfinden.

Ein paar Gehminuten von der Schwimmhalle Tatsumi, die allen Anforderungen für internationale Großanlässe genügt, wird ein neues Aquatic Center gebaut. Tatsumi ist den Organisatoren nur für Wasserball gut genug. Die jetzige Bürgermeisterin von Tokio, Yuriko Koike, wollte den Neubau verhindern, wie auch die neue Volleyball-Halle für 15 000 Zuschauer. In Tokio gebe es genug solche Hallen. Aber sie blitzte ab.

Bereits 1964 hatte Japan Spiele der Superlative in Tokio versprochen. Sie waren dann perfekt organisiert, sportlich hochwertig, doch ihr Superlativ waren die Korruption und die explodierenden Kosten. Nie zuvor war Olympia so teuer gewesen. Das wiederholte sich mit den Winterspielen 1998 in Nagano. Und wird auch diesmal kaum anders.

Zwischen 1964 und 1972 wuchs Japans Wirtschaft rasant, der Lebensstandard verbesserte sich stetig. Mit Olympia hatte das nichts zu tun. Doch die Regierung tut so, als könnte sich das Muster nach 2020 wiederholen. In Wirklichkeit stürzen die Spiele das Land tiefer in seine Schuldenkrise. Der Rechnungshof erwartet, dass die Gesamtkosten weiter steigen, sogar über drei Billionen Yen.

© SZ vom 10.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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