Olympia in China:Schmutzige Geschäfte

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Eine Dokumentation über Doping in China: Wie Sportler sogar auf eine Behandlung mit Stammzellen setzen. Darüber reden will kein Sportler: Vielleicht wird er eingesperrt, vielleicht wird man ihn auch umbringen.

Hans Leyendecker

"Wo ist Hajo Seppelt?" titelte vor ein paar Wochen eine Zeitung; das erinnerte an einen Klassiker der Sportberichterstattung: "Wo ist Behle?" hatte der alte Kämpe Bruno Moravetz bei den Olympischen Winterspielen 1980 in Salt Lake City gefragt, als der Skilangläufer Jochen Behle trotz guter Zwischenzeit nicht eingeblendet wurde.

Hajo Seppelt, 45, der von Sportkollegen manchmal gebeten wird, "was Investigatives", zu machen, war in China. Mit seinem Kollegen Jo Goll, 42, hat der bekannteste Dopingexperte der ARD einen Film gedreht, der an diesem Montag zu sehen ist: Olympia im Reich der Mittel - Doping in China.

Knapp sechs Monate haben die beiden Journalisten an dem 43-minütigen Werk über das Schattenreich gearbeitet. Der Film liefert ungewöhnliche Einblicke in die Welt der Muskelbranche und der Labore. Er könnte so viel Aufsehen erregen wie neulich die Dokumentation Mission Gold im ZDF, deren zweiter Teil Ende des Monats ausgestrahlt wird. Nach Ausstrahlung des ersten Teils entzogen chinesische Behörden Apotheken die Lizenz, weil diese illegal Dopingmittel verkauft hatten. Schmutzige Geschäfte.

"Wo ist das möglich?"

Früher erklärten chinesische Offizielle die Erfolge von Schwimmerinnen und Läuferinnen mit der Einnahme von Schildkrötenblut. Das war Unfug, auch sind seit der Implosion des Ostblocks Dopingspezialisten als Entwicklungshelfer engagiert worden.

Brisant im ARD-Epos ist eine Enthüllung über das von Geheimnissen umwitterte neumodische Gendoping. Die Reporter flogen nach Kanada und sprachen mit dem Sportmediziner Mauro di Pasquale: "Ich kenne mehrere Profifußballer, Footballer und sogar Amateursportler auf olympischer Ebene, die nach China gefahren sind, um Gendoping vornehmen zu lassen", sagte der Arzt, der auch Dopingkontrolleur ist. "Wo ist das möglich? Wissen Sie das?". Pasquale mochte die Namen nicht nennen. "Aber es sind Ärzte aus Unikliniken, Krankenhäusern und auch aus Privatkliniken", die Sportler mit Stammzellen behandelten. Die Reporter bekamen dann einen Tipp, reisten zu einem Krankenhaus irgendwo in China. Sie gaben sich als Trainer eines amerikanischen Schwimmers aus, der seine Leistung durch Stammzellenbehandlung verbessern wolle. "Ich kann Ihnen ein Angebot machen", sagte der Stationsarzt. Frage: "Was kostet die Behandlung?" - "24.000 Dollar".

Die Szene wurde mit verdeckter Kamera gedreht. Der Arzt ist nicht zu erkennen, auch können die Gegenstände im Zimmer nicht identifiziert werden.

Bei heiklen Passagen zeigt die Kamera Naheinstellungen, wie etwa Hände, oder hantiert mit der Totalen und die Graphik lässt dann alle Sachen, die wiedererkannt werden könnten, verschwinden. Die Köpfe sind im Nebel. Seppelt begründet die Mimikry mit ansonsten "unabsehbaren Folgen" für die Gesprächspartner.

"Wenn ein chinesischer Sportler heute sagt, dass China Dopingmittel einsetzt, kann es schon Probleme geben", sagt eine ehemalige chinesische Spitzensportlerin, die ihre Heimat verlassen hat. "Sollte er diese Erklärung aber vor internationalen Journalisten abgeben, dann beschmutzt er damit die Kommunistische Partei. Vielleicht wird der Sportler eingesperrt, vielleicht wird man ihn auch umbringen."

"Ich veränderte mich total"

In Mission Gold im Zweiten hatte eine chinesische Gewichtheberin über eine Hormonbehandlung geredet, was ein anderes Wort für Doping war. Bei Seppelt/Goll im Ersten berichtet die frühere chinesische Silbermedaillengewinnerin Huang Xiaomin im Schwimmen über Doping von Kindern: "Die Mittel haben wir in regelmäßigen Abständen bekommen. Ich hatte später viele gesundheitliche Beschwerden. Ich veränderte mich total." Die Schwimmerin trainiert heute junge koreanische Schwimmerinnen.

Offizielle wie der Generaldirektor des chinesischen Sportministeriums oder der Chef der Chinesischen Anti-Doping-Agentur geben Statements ab: Sie reden über "Fortschritte" bei der Dopingbekämpfung und behaupten, dass die "Abschreckung verstärkt" worden sei. Der journalistische Wert liegt darin, dass die beiden überhaupt vor der Kamera reden. Bei den Kurzbahn-Schwimmweltmeisterschaften in Manchester in diesem Jahr spürten Seppelt und Goll die in Fachkreisen wegen Doping junger Schwimmer berüchtigte und gesperrte Trainerin Xu Huiquin auf - sie war wieder Mitglied des chinesischen Trainerstabs. "Wie ist das möglich?" Der Präsident des Verbandes lehnt ein Interview ab.

Für 150 Euro erwerben die Reporter in einer Firma 100 Gramm eines Dopingmittels, das auf dem Schwarzmarkt etwa sechstausend Euro kostet. Die Regierung habe gesagt, die Substanz sei ein Dopingmittel, meinte der Verkäufer. "Deshalb dürfen wir sie in der Zeit um die Olympischen Spiele herum eigentlich nicht verkaufen. Aber nach den Spielen geht das Geschäft mit diesen Mitteln wieder einfacher." Es gibt eine Mauer des Schweigens, im Reich der Mittel scheint vieles möglich. "Ethische Grenzen - kaum definiert zwischen Markt und Moral" heißt es am Ende: "Die größte Angst der Chinesen ist, das Gesicht vor der Weltöffentlichkeit zu verlieren - gerade im Kampf gegen Doping".

Olympia im Reich der Mittel, ARD, 21 Uhr.

© SZ vom 21.7.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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