Olympia:"Ab heute ist Doping frei!"

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Verdächtige Werte, verschwundene Athleten, verworrene Ausreden. Der Kampf gegen unerlaubte Mittel wird immer unübersichtlicher. Wie wäre es, wenn Doping legalisiert würde? Eine Vision

Jürgen Schmieder

Wir schreiben das Jahr 2014: Nach jahrzehntelangem Kampf hat die internationale Anti-Doping-Behörde WADA 2008 aufgegeben. Sportler und Mediziner waren zwei Schritte schneller, eine Verfolgung aussichtslos.

Der perfekte Körper - mit Doping noch effizienter. (Foto: Foto: Photodisc)

Am 25. August 2008, direkt nach den Olympischen Sommerspielen von Peking, tritt Jaques Rogge resiginiert vor die Presse: "Macht doch, was Ihr wollt! Wer seinen Körper mit Medikamenten vollpumpen möchte, soll es tun!" Und dann spricht er den entscheidenden Satz: "Ab heute ist Doping frei!"

Sport hat sich verändert. Völlig neue Möglichkeiten stehen nun offen, alles ist möglich. Ein kleiner Auzug, was in den Jahren 2008 bis 2014 alles geschah:

2008: Direkt nach der Freigabe werden sämtliche Radsport-Mannschaften von Pharmazieunternehmen übernommen. Es wird ein System nach dem Vorbild der Formel 1 eingeführt, mit Einzel- und Mannschaftsweltmeistern. Die Tour de France gewinnt Jan Ullrich vom Team Benzedrin, das auch die Herstellerwertung gewinnt. Etwas enttäuschend: die Mannschaften, die auf Koffein setzen. Ihnen fehlen die internationalen Spitzenchemiker, um ihr Produkt zu verfeinern.

Dagegen freuen sich die alpinen Skifahrer: Sie müssen nach dem Rennen nicht mehr die Skier abschnallen und in die Kamera halten. Sie ziehen nur eine kleine Flasche aus dem Anzug und deuten an, welches Mittel ihnen zum Erfolg verholfen hat. Bei der Wahl zum "Sportler des Jahres" wird ab sofort auch der kreativste Designer ausgezeichnet.

A propos Werbung: Nachdem die Tabakindustrie erfolgreich auf Gleichberechtigung mit Dopingkonzernen klagt, gibt es im Fernsehen interessante PR-Aktionen. Zum Beispiel den Zusammenschluss von British American Tobacco und einem Hersteller für Anapolon: Der Begriff Lucky Strike erhält eine völlig neue Bedeutung.

2010: Bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver dominiert die Chinesin Xin Dai Sim alle Langlaufwettbewerbe. Da sie einen ausreichenden Testosteronwert und genug Körperbehaarung nachweisen kann, darf sie auch bei den Herren starten. Sie gewinnt Silber über 50 Kilometer Freistil.

Bei der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika sind ebenfalls keine Länder mehr am Start, sondern Pharmakonzerne. Im Finale gewinnt Epo gegen HES, weil in der 70. Minute zwei Spieler an Herzversagen sterben, der Trainer aber schon drei Mal ausgewechselt hatte.

2011: Lukas Podolski bricht sich bei einem Spiel mehrere Knochen im linken Bein. Die Ärzte amputieren sein Bein und ersetzen es durch eine Titaniumprothese. Damit kann Podolski vier Prozent schneller laufen und härter schießen - 20 Stundenkilometer pro Versuch. Noch auf der Intensivstation macht ihm Real Madrid ein Angebot.

2012: Der Star beim Tennis heißt Scott Duane. Durch die Mischung aus Nandrolon und Somatotropin hört er nicht mehr auf zu wachsen. Mit 2,34 Metern Körpergröße hat er den perfekten Winkel für seinen Aufschlag und kann dennoch fünf Stunden in gleißender Sonne Höchstleistungen bringen. Als er die 2,50 Meter erreicht, muss er seine Karriere wegen Gleichgewichtsstörungen beenden.

Neuer Weltmeister im Gewichtheben ist André Escobar aus Südamerika, der mit zwölf Jahren bereits 400 Pfund stemmen kann. Seinen 18. Geburtstag wird er im Rollstuhl verbringen, weil seine Muskeln nicht aufhören zu wachsen und sein Herz die Größe eines Ochsen besitzt. Er veröffentlicht eine Autobiographie unter dem Titel: "Ich bereue nichts!"

2014: Schwierige Entscheidung beim Boxen: Anders Skola aus Norwegen ist aufgrund eines Menthyltestosteron-Flashes so aggressiv, dass er seinen Gegner während des Kampfes tötet. Er selbst stirbt aber gleichzeitig an einem Schlaganfall. Die Ringrichter entscheiden auf Unentschieden und ordnen einen Rückkampf an. Ein Hamburger wird zum Millionär, weil er genau auf dieses Ergebnis gewettet hat.

25. August 2014: Nachdem bei den Winterspielen in Salzburg nur 10 Prozent der Tickets verkauft werden und die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien wegen Desinteresse der Zuschauer abgesagt wird, zeigt das Fernsehen Wiederholungen aus den Jahren 2002 bis 2006. Mit schlechteren Leistungen und Fahndern, die Dopingsünder aufspüren.

Und auf einmal wirken diese Veranstaltungen gar nicht peinlich. Sondern wie eine schöne Utopie aus einer längst vergangenen Zeit.

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