Nürnberg - Frankfurt 5:1:Einfach mal druff

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Um ohne Selbstvertrauen ein Fußballspiel zu gewinnen, braucht man vor allem Glück - und Spieler, die auf dieses Glück vertrauen.

Jürgen Schmieder, Nürnberg

Es war in der 17. Spielminute, als der Nürnberger Spieler Jan Kristiansen sich gedacht haben muss: "Geht das schon wieder los!" Er hämmerte einen Freistoß aus 30 Metern auf das Frankfurter Tor. Der Ball jedoch sprang an den Pfosten und von dort aus ins Spielfeld zurück. Wieder Pech gehabt, wieder kein Tor. So erging es dem FC Nürnberg schon so häufig in dieser Saison: Ein schöner Spielzug, dem die Krönung versagt blieb. Ein gutes Spiel, bei dem die drei Punkte fehlen.

Als die Stadionuhr jedoch umsprang auf die 18. Minute, waren Kristiansens Gedanken komplett anders. Er versuchte, seinen Kollegen Angelos Charisteas einzufangen, der zuerst auf die Eckfahne, dann auf die Trainerbank und dann auf irgendwas anderes zulief. Charisteas nämlich hatte den zurückprallenden Ball mit dem Oberschenkel gestoppt und ins Frankfurter Tor geschoben. "Es ist schon unglaublich, wie schnell sich Gefühle ändern können", sagte Kollege Peer Kluge nach dem Spiel.

Es war das 1:1 in einer spannenden Partie, die zuvor von Eintracht Frankfurt dominiert wurde. Die Überlegenheit gipfelte im Führungstreffer in der elften Minute. Albert Streit nahm den Ball an der Mittellinie mit der Hacke mit, öffnete das Spiel mit einem Pass auf Amanatidis. Der legte auf Naohiro Takahara, der aus fünf Metern nur noch einzuschieben brauchte.

"Eine ganz schlimme erste Halbzeit"

Zu diesem Zeitpunkt waren auch Hans Meyers taktische Varianten nicht wirksam. Michael Beauchchamp ließ sich aus der Viererkette so weit zurückfallen, dass man ihn getrost als Libero bezeichnen konnte. Im Angriff vertraute der FC Nürnberg auf die Spielweise der tschechischen Nationalelf am Mittwoch gegen Deutschland: Hohe Bälle auf den Stoßstürmer, der dann auf die nachrückenden Mitspieler ablegen sollte. Nun ist der Nürnberger Stoßstürmer Angelos Charisteas nicht Jan Koller. Charisteas war in dieser Saison noch nicht einmal Angelos Charisteas, so dass die Nürnberger Angriffe meist vor der Strafraumgrenze zu Ende waren."Das war eine ganz schlimme erste Halbzeit", sagte Kluge.

Also vertrauten die Nürnberger Spieler der alten Fußballfloskel "Wenn Du ncht weißt, wohin mit dem Ball, dann schieß einfach aufs Tor". Das taten Misimovic (25. und 30. Minute), Kluge (35.) und Reinhardt (40.) - ohne Erfolg jedoch. Der kam erst in der zweiten Halbzeit, als Charisteas zum ersten Mal in dieser Saison spielte wie Angelos Charisteas.

In der 49. Minute nutzte er ein Missverständnis von Markus Pröll und Marco Russ und kam fünf Meter vor dem Tor an den Ball. Er setzte seinen Körper geschickt ein und legte ab auf Marek Mintal, der zur Führung einschob. Drei Minuten später setzte sich Charisteas erneut geschickt am Strafraum durch und lief allein auf Markus Pröll zu. Der konnte sich nur mit einem Foul behelfen, es gab folgerichtig Elfmeter. Den verwandelte Misimovic sicher. Charisteas' Arbeit war getan, er ging angeschlagen vom Platz.

Um ohne Selbstvertrauen ein Spiel zu gewinnen, braucht man auch eine Portion Glück. Es war nämlich keineswegs so, dass sich Eintracht Frankfurt als dankbarer Aufbaugegner präsentierte. Die Eintracht hatte in der ersten Halbzeit zahlreiche Torgelegenheiten. Streit (24.), Kyrgiakos mit einem Lattenschuss (27.) und Inamoto (32.) hatten die erneute Führung auf dem Fuß. Dazu erzielte Takahara (27.) einen Treffer, der wegen einer knappen Abseitsposition nicht gegeben wurde. "Im Zweifel muss man da für den Stürmer entscheiden", ärgerte sich Frankfurts Trainer Friedhelm Funkel nach dem Spiel.

Ende des Nebenjobs als Psychologe

Die Bemühungen der Frankfurter halfen nichts, es war der Tag des 1. FC Nürnberg. In der zweiten Halbzeit spielte die Mannschaft so, als hätte sie gerade den DFB-Pokal, den Uefa-Cup und die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Der eingewechselte Joshau Kennedy hatte mehrfach das 4:1 auf dem Fuß, er vergab jedoch unglücklich.

Das entscheidende Tor besorgte dann Marek Mintal, als ihm nach einem Eckball der Ball vor die Füße fiel und er nur noch einzuschieben brauchte. Kennedy traf schließlich doch noch per Hacke zum 5:1-Endstand. "Das freut mich besonders", sagte sein Trainer Hans Meyer. "Ich habe schon gespürt, wie die Zuschauer nach den vergebenen Chancen ungeduldig wurden. Deshalb ist es schön, dass er doch noch getroffen hat."

Die Nürnberger Spieler waren nach dem Spiel froh, die Abstiegsränge verlassen zu haben. "Wir wollten unbedingt gewinnen", sagte Peer Kluge. "Dass es natürlich ein 5:1 wurde, ist umso schöner." Die Frankfurter Eintracht dagegen suchte nach Erklärungen für die schwache zweite Halbzeit. "Wir standen viel zu weit von den Gegenspielern weg, nach vorne haben wir auch nicht viel zustande gebracht", sagte Ioannis Amanatidis.

Der FC Nürnberg hat gegen Frankfurt bewiesen, dass man auch ohne Selbstvertrauen ein Spiel gewinnen kann. Dieser Glaube an die eigene Stärke kam nach diesem deutlichen Sieg zurück, nun kann Hans Meyer seinen Nebenjob als Psychologe aufgeben und wieder als Fußballtrainer arbeiten. Und seinen Spielern beibringen, wie man Spiele gewinnt, wenn das Selbstvertrauen zurück ist.

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