Nordische Kombination:Blockade am Schanzentisch

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Reizvollere Aufgabe: Um die deutschen Kombinierer zu betreuen, hat Heinz Kuttin dem französischen Verband abgesagt. (Foto: GEPA pictures/imago)

In den neun Monaten bis zur Heim-WM in Oberstdorf soll der neue Skisprung-Trainer Heinz Kuttin die stagnierenden Kombinierer wieder in Form bringen.

Von Volker Kreisl, München

Normalerweise arbeiten Skisprungtrainer mit Athleten zusammen, die leicht sind, beweglich und sprungstark - mit Spezialisten, die sich in der Luft zu Hause fühlen. Anders ist es bei den Nordischen Kombinierern: Die sind schwerer und auch steifer, denn sie brauchen für die zweite Disziplin, den Langlauf, Muskeln an Beinen, Armen und im Rücken. Ein Spezialsprung-Trainer justiert also gewissermaßen Segelflieger, die Flugobjekte eines Kombinationscoaches müssen zusätzlich am Boden gut vorwärtskommen.

Die Aufgabe, die der Skispringer und Spezialtrainer Heinz Kuttin nun beim Deutschen Skiverband (DSV) übernommen hat, stellt also eine besondere Herausforderung dar. Der Österreicher coacht künftig die DSV-Kombinierer an der Schanze. Der Reiz dieser Sportart, sagt Horst Hüttel, Sportlicher Leiter Nordisch im DSV, liege darin, "zwei konträre Sportarten in Einklang zu bringen". Aber auch sonst sind die Aufgaben nicht gerade klein. Die Sprungform der Deutschen ist im vergangenen Winter eingebrochen, nur Vinzenz Geiger konnte seine halbwegs halten; er wurde noch Dritter in der Weltcup-Gesamtwertung. Und bei den wohl eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten im Sommer bleibt nicht allzu viel Zeit für den Durchbruch. Denn im Februar 2021 werden Erfolge erwartet, nämlich bei den Heim-Weltmeisterschaften in Oberstdorf.

Bei Olympia 2018 erreicht das deutsche Team seinen Zenit: Es gewinnt alle Goldmedaillen

Heinz Kuttin wird also durchaus Druck verspüren, aber den Posten hat er unbedingt gewollt, er will dazu beitragen, "dass die Erfolgsstory der Deutschen weitergeschrieben wird", erklärte er. Eine mündliche Zusage als Trainer der französischen Skispringer zog er in der vergangenen Woche kurzfristig wieder zurück; die schwere neue Aufgabe beim DSV kann man ja tatsächlich auch als reizvoll ansehen. Nicht nur wegen dem großen Nordisch-Fest in Oberstdorf in neun Monaten, sondern auch, weil Kuttin mit der erfolgreichsten Kombinierer-Mannschaft des vergangenen Jahrzehnts zusammenarbeiten wird, mit einem Team, das auf seinem Zenit bei Olympia 2018 Gold in allen Rennen gewann und diverse Medaillen noch dazu.

Doch die Stagnation auf der Schanze wurde danach immer deutlicher, und auch wenn es im vergangenen Winter eher eine Niederlage gegen die Norweger war, so war sie doch zu deutlich. Gegen Jarl Magnus Riiber und Jörgen Graabak hatten auch die Seriensieger Erik Frenzel und Johannes Rydzek keine Chance, denn die Norweger sprangen auf der Schanze gewaltige Vorsprünge für die Langlaufstrecke heraus. Die Frage ist nun, welche Fähigkeiten Kuttin mitbringt, um die deutsche Blockade am Schanzentisch zu lösen.

Kuttin, der ein stiller Mensch ist, galt bei Beobachtern vor allem als empathischer Chef, der die gute Stimmung von 2014 bis 2018 als Cheftrainer der Österreicher aufrecht hielt. Doch Hüttel ist überzeugt, dass Kuttin auch "im Bereich Technik und Material" Erfolge hatte, "die Ergebnisse sprechen dafür". Und genau solche Fähigkeiten werden nun gefragt sein; auch wenn die Heim-WM kurz bevorsteht, so bedarf es doch wohl eines neuen Aufbaus.

Den Norwegern ist es in den vergangenen zwei Jahren gelungen, vieles vom Absprung und vom Segelstil der Spezialisten in die Kombination zu integrieren, ohne dabei in der Loipe nachzulassen. Dazu muss freilich das Krafttraining anders gelenkt werden. Und das, sagt Horst Hüttel, bedeutet eine neue Körperentwicklung, "nämlich Sprungkraft für die Schanze zu gewinnen ohne Muskelzuwachs". Mit anderen Worten: stark zu werden und leicht zu bleiben.

© SZ vom 14.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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