Nordderby ohne Sieger:Sehr bescheiden

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Nordderby als Kellerduell: Hamburg um Michael Gregoritsch und Bremen mit Santiago Garcia (oben, am Ball) trennen sich 2:2. (Foto: Joern Pollex/Getty Images)

Beim 2:2 zwischen dem HSV und dem SV Werder bemühen sich beide Kellerkinder redlich, stehen sich aber selbst im Weg.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Der deutsche Norden hatte schon mal mehr Freude am Fußball, der Hamburger SV und Werder Bremen waren ja vor geraumer Zeit mal nationale Spitze. Das ist schon länger vorbei, in dieser Saison kämpfen voraussichtlich beide gegen den Abstieg, aber immerhin trafen sich die Nachbarn am Samstagnachmittag zu einem recht vergnüglichen Derby. Das 2:2 (2:2) vor 55.237 Zuschauern im Volksparkstadion war ein zumindest 45 Minuten lang erwärmendes Match, obwohl das Unentschieden vor allem der größeren Hansestadt gar nicht hilft. Werder Bremen ist 16. Der HSV bleibt mit mickrigen vier Punkten Tabellenletzter und wartet bereits seit zwölf Spieltagen auf seinen ersten Sieg, was es in der doch ziemlich stolzen Vereinsgeschichte noch nie und in der Bundesliga noch selten gab.

Der HSV muss es im Rahmen neuer Bescheidenheit inzwischen schon gut finden, zuletzt wenigstens zweimal nicht verloren und in drei Spielen sechs Tore geschossen zu haben. "Ich bin mit dem Ergebnis unzufrieden", sprach zwar der Trainer Markus Gisdol, unter dessen Leitung in den sieben Spielen seit Bruno Labbadias Entlassung gerade einmal drei Punkte erbeutet wurden. Der Auftritt seiner Mannschaft allerdings gefiel ihm mit Ausnahme zweier abstruser Abwehrfehler ganz gut, darauf könne man aufbauen. Vielleicht komme sein Team auf diese Weise "in eine Situation rein, in der man Spiele gewinnen kann", nächster Versuch am kommenden Sonntag, in Darmstadt.

Der HSV geht zweimal durch Gregoritsch in Führung

Diesmal war Gisdol mit seinem Aufgebot sogar ins Trainingslager nach Niedersachsen gereist. Die Partie begann für die Gastgeber dann auch sehr erfreulich, was bei Hamburger Heimspielen dieser Ära unüblich ist. Kaum hatte Schiedsrichter Felix Brych angepfiffen, da traf Michael Gregoritsch per Kopf nach passgenauer Flanke von Lewis Holtby zum 1:0, nicht einmal drei Minuten waren gespielt. Eingeleitet hatte den Treffer mit einem kurios missglückten Querpass ein vormaliger Hamburger, der fußballerisch verlegene Bremer Torwart Jaroslav Drobny.

Lange hielt das frühe Glück aber nicht, denn Finn Bartels glich bereits nach elf Minuten aus. Er trickste elegant den HSV-Verteidiger Douglas Santos aus (14.) und schoss ins rechte Eck. Gisdols Elf schien es aber ernst zu meinen und legte wieder vor: Nicolai Müller, derzeit gut in Form (was beim HSV besonders auffällt), sprintete nach rasantem Doppelpass mit Holtby samt Ball wie ein Hürdensprinter über Rechtsaußen durch Werders Defensive. Erneut war der Österreicher Gregoritsch zur Stelle, er vollendete Müllers Solo nach dessen Zuspiel zum 2:1 in der 28. Minute.

Auch weiterhin jagte in Teil eins auf beiden Seiten eine Chance die nächste, langweilig wurde es nicht. Immerhin, Hamburger Fußballfreunde sind für sowas dankbar. Man habe da "alles erlebt, was ein Derby ausmache", fand auch der Bremer Trainer Alexander Nouri. Filip Kostic prüfte Drobny, der nach überstandener Handverletzung ansonsten nicht besonders sicher wirkte. Bartels verfehlte knapp das Ziel. Und als die Hausherren davon ausgingen, erstmals seit Menschengedenken mit einer Führung in die Pause zu gehen, da nahm Deutschlands neuer Wunderstürmer Serge Gnabry einen verirrten Kopfball von Johan Djourou auf, ließ Dennis Diekmeier und Djourou stehen und schloss lässig ab. 2:2 in der 45. Minute, ungünstig für den HSV und angenehm für Werder. "Wir haben guten Geist bewiesen und sind zweimal zurück gekommen", lobte Nouri, "das hat mir gut gefallen."

"Unglaublich viele Fehler" - auf beiden Seiten

Ganz so munter und chaotisch ging es nicht weiter. Das Duell mündete in einen gegenseitigen Abnutzungskampf bei feuchten drei Grad Plus, am Ende im Pulverdampf Bremer Pyromanen. Man habe beiden Teams angemerkt, "dass die Verunsicherung sehr groß war", stellte Werders Kapitän Clemens Fritz sehr richtig fest. "Es gab unglaublich viele Fehler im Spiel." Der HSV habe von Bremer Fehler profitiert, "das ist bitter", umgekehrt galt das allerdings genauso. Für den zweifachen Hamburger Torschützen Gregoritsch war das Resultat "ein Mittelding zwischen Frust und Freude", aber es gehe "in die richtige Richtung", dies sei "ein Reifeprozess". Der Torwart Christian Mathenia entdeckte "Teamgeist", mit solchen Erkenntnissen hält sich der HSV mittlerweile bei Laune.

Die bewundernswert leidensfähigen Nostalgiker im Fanblock klatschten Beifall, als sich die Belegschaft nachher vor ihnen versammelte und einen Kreis der Verschworenen bildete. Der HSV-Dino tanzte heiter in seinem Kostüm. Es gab anders als bei den meisten vergangenen Auftritten dieser Spielzeit kaum Pfiffe. Schade war es um einen der wenigen Höhepunkte der zweiten Hälfte. Nach einer Stunde tauchte Michael Gregoritsch entschlossen im Bremer Strafraum auf, obwohl er gerade aus einem Stiefel gerutscht war. Einen Schuh hatte er in der Hand, ein drittes Tor im Blick. "Ich war völlig frei, ich hätte ihn auch rein gemacht", berichtete er anschließend. Ein Siegtor für den HSV in Socken, das wäre was gewesen.

© SZ vom 27.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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