Niederlande:Löwinnen in Oranje

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Starteten erfolgreich in die Europameisterschaft im eigenen Land: die niederländischen Damen, hier nach dem 1:0 gegen Dänemark. (Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Die Gastgeberinnen zeigen, wie wichtig Erfolge für die Stimmung im eigenen Land sind. Ob sie wohl auch Elfmeter schießen können?

Von Anna Dreher, Tilburg

Nils Nielsen hätte sauer sein können. Oder enttäuscht. Der Trainer der dänischen Frauenfußballnationalmannschaft hatte gerade ein wichtiges Spiel verloren gegen die Niederlande in der Gruppenphase der Europameisterschaft. Einige seiner Spielerinnen sanken mit Tränen in den Augen auf den Rasen, als der Abpfiff das 0:1 besiegelte. Um ihn herum tobte ein orangenes Meer. Holländische Schlager hallten aus den Lautsprechern, die Menge schunkelte im Rhythmus. Doch Nielsen, der Däne, war nicht sauer.

"Ich finde es gut, dass die Niederlande gewonnen haben", sagte er auf der Pressekonferenz. Einige Zuhörer blickten irritiert, doch Nielsen setzte seine Komplimente an den Gegner fort: "Die Frauen zeigen in der Tradition ihres Landes tollen Fußball. Versteht mich nicht falsch, ich mag mein Team. Aber ich mag das Team der Niederlande auch." Und dann sagte Nielsen noch einen Satz, der so in jedem Grundbuch zur erfolgreichen Ausrichtung eines großen Fußballturniers stehen könnte: "Es ist doch wichtig, dass das Team der Gastgeber weit kommt."

9267 kauften ein Ticket für Deutschland - Schweden

Bislang sieht es so aus, als würde dies bei dieser EM passieren. Zum Auftakt hatten die Oranje Leeuwinnen, die Löwinnen, Norwegen beim 1:0-Sieg dominiert. Mit dem Tempofußball kamen die zu den Favoritinnen zählenden Skandinavierinnen nicht zurecht - und auch die orangene Kulisse im mit 21 732 Zuschauern ausverkauften Galgenwaard-Stadion in Utrecht hatte geholfen. "Wir haben uns wirklich gefühlt, als stünden wir zu zwölft auf dem Platz", sagte Lieke Martens: "Das gibt uns so viel Energie." Auch gegen Dänemark im zweiten Gruppenspiel war das Sparta Stadion in Rotterdam mit 10 078 Zuschauern ausverkauft. Auch Dänemark hatte Mühe, dem energischen Spielstil der Niederlande etwas entgegenzusetzen, auch dort wurde der 1:0-Sieg durch einen von Sherida Spitse früh verwandelten Elfmeter bejubelt.

So richtig übergeschwappt ist die Begeisterung aber noch nicht aufs ganze Land. Das Fußballfieber bricht nur bei den Spielen des Gastgebers aus. An dessen Spieltagen füllt sich die Innenstadt am Austragungsort mit Tausenden in Orange. "Die Begeisterung für die Mannschaft kam eigentlich erst nach dem Spiel gegen Norwegen", sagt ein Oranje-Fan: "Man wusste ja nicht so richtig, was man erwarten sollte. Das Interesse für den Frauenfußball ist in den Niederlanden sonst leider nicht so groß." Wenn das Team ausscheidet, wird das EM-Interesse wohl rapide sinken, bislang waren nur die Spiele des Gastgebers ausverkauft. Zu den übrigen Duellen kamen im Schnitt 5350 Zuschauer - mit 9267 verkauften Tickets bei Deutschland gegen Schweden als Ausreißer nach oben, aber nur 637 Zahlenden bei Russland gegen Italien.

Nie kamen sie weiter als in ein Halbfinale

Dabei hatte das Oranje-Team von Sarina Wiegman vor der EM einen Medien- und Marketing-Marathon absolviert. Erst zum vierten Mal sind die Niederlande im Frauenfußball bei einem großen Turnier dabei. Vor 2005 hatten sie sich nie für eine EM, vor 2011 nie für eine WM qualifiziert und überhaupt noch nie für Olympische Spiele. Der größte Erfolg war das Erreichen des EM-Halbfinales 2009. "Wir wollen den Niederlanden zeigen, dass auch die Frauen guten Fußball spielen können", sagte eine Mitarbeiterin des Fußballverbandes KNVB: "Wir wollen wachsen, aber das geht nur mit Erfolgen." Zur Imageverbesserung trage auch die Tatsache bei, dass inzwischen mehr Spielerinnen im Ausland unter Vertrag stehen und so indirekt auch der nationale Fußball voran komme.

"Der Frauenfußball ist in den Niederlanden der am schnellsten wachsende Sport, und dieses Turnier könnte dabei helfen, diese Entwicklung zum Explodieren zu bringen. Besonders, wenn wir weit kommen", hofft die holländische Spielführerin Mandy van der Berg. Die Medien sind mal interessiert - und mal nicht. Nach dem zweiten Sieg der Holländerinnen berichteten sie vor allem über die Tour de France und den Männerfußball, der auch ohne großes Turnier sehr viel Interesse absorbiert.

Bei den Männern hatten die Niederlande zuletzt 2000 eine Europameisterschaft ausgerichtet, gemeinsam mit Belgien. Und während im Nachbarland nie so richtig Stimmung aufkam, war in Holland die Begeisterung riesig. Bis zum Halbfinale lief alles so, wie es im Grundbuch zur erfolgreichen Ausrichtung eines großen Fußballturniers stehen könnte. Die Mannschaft spielte gut, das Land trug Orange. Gegen Italien aber kam damals die chronische Schwachstelle des niederländischen Fußballs zum Vorschein: Holland verlor im Elfmeterschießen. Und die Zeitungen titelten: "Wat en Kater!"

© SZ vom 23.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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