Neu in der Nationalmannschaft:Er will nur spielen

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Manuel Friedrich ist Profifußballer ohne die üblichen Profifußballer-Reflexe.

Christof Kneer

Manuel Friedrich kommt also herein und setzt sich hin, und weil irgendeine Frage ja immer die erste sein muss, fragt man also dies: Ob er sich schon vorbereitet habe auf die irischen Angreifer Robbie Keane und Damian Duff?

Und weil irgendeine Antwort immer die erste sein muss, sagt er also: "Nö."

Es kommt nicht so oft vor, dass man gleich am Anfang eine derbe Absage kassiert und gleichzeitig mittendrin steckt im Gespräch. Manuel Friedrich ist nämlich ein Nö-Typ, jedenfalls wenn man mit ihm über Fußball spricht oder besser: über das, was man in der Branche möglicherweise für Fußball hält.

Er sagt natürlich auch, dass die Leistung des Teams wichtiger sei als seine eigene, aber das ist fast schon der einzige Profifußballer-Reflex, den man bei dem Profi von Mainz 05 findet.

Ansonsten: Keine Chance mit den üblichen Fragen. Welcher Innenverteidiger sein Spiel beeinflusst hat? Ach, keiner eigentlich, als Junge hat er sich mehr für Stürmer interessiert.

Ob es seinem Ruf geschadet hat, dass er einst Bremen verließ, um wieder in Mainz unterzukriechen? "So wurscht" sei ihm das, sagt er, "mir ist total egal, was andere denken."

Ob das EM-Qualifikationsspiel gegen Irland seine große Karriere-Chance sei? Ach, sagt er, er plane seine Karriere nicht, er lasse sich überraschen.

Was sein Berater dazu sagt? Gar nix sagt der, es gibt nämlich keinen.

Manuel Friedrich macht das alles selbst.

Darf man also sagen, dass in der Innenverteidigung der obersten deutschen Fußballelf am Samstag ein Spieler stehen wird, der sich nicht so wahnsinnig für Fußball interessiert?

Man darf das, solange mit Fußball "diese Infoflut" gemeint ist, wie Friedrich das nennt. "Ich versuche mir ja zu merken, wer vor drei oder vier Jahren den DFB-Pokal gewonnen hat", sagt er, "aber so was bleibt in meinem Kopf einfach nicht hängen."

Er hat vor einiger Zeit mal ein Interview gegeben, in dem er sich zu seiner Statistikunlust bekannt hat, und es hat danach in der so genannten Branche schon ein paar Debatten gegeben. Sie sind aber bald verstummt, vermutlich, weil die so genannte Branche gemerkt hat, dass hier ein Spieler hoch professionell Sport treibt.

Man darf das nicht verwechseln: Manuel Friedrich, 26, ist kein wurstiger Profi, er konzentriert sich auf sein Training und sein Spiel, und man könnte ihn "nachts um drei wecken und ich würde mit in die Soccerhalle gehen und kicken".

Wenn man ihn aber wecken würde, um eine Aufzeichnung des Spiels Valencia gegen Irgendwen zu betrachten? "Dann", sagt er, "würd' ich liegen bleiben."

Immer mit Trainer Klopp

Es gibt immer wieder Fußballer, die man "die etwas anderen Profis" nennt, und bei manchen wird man das Gefühl nicht los, dass sie sich inszenieren.

Sie ziehen Intellektuellenbrillen an und lassen sich für Intellektuellenmagazine vor dem örtlichen Theater ablichten. Manuel Friedrich inszeniert nichts.

Bei ihm ist nur anders, dass er "bei jedem Ball Gefühle kriegt, egal, ob Fußball, Golfball oder Volleyball". Er will Ball spielen, nicht Ball auswendig lernen, und natürlich weiß er auch, dass er den besten Bürgen hat, den das Land zurzeit zu bieten hat.

Sein Trainer Jürgen Klopp lobt Friedrich so sehr, wie möglicherweise noch nie ein Trainer einen Spieler gelobt hat, und umgekehrt ist das genauso.

"Nach der Rückkehr aus Bremen hat Kloppo aus mir wieder den Spieler gemacht, der ich mal war", sagt Friedrich, der bei Werder nach zwei Kreuzbandrissen nie wirklich ankam. "Ich bin als Regionalligaspieler nach Mainz zurückgekommen, mein Selbstvertrauen war unten, und es war goldrichtig, dass ich mich wieder dem Kloppo anvertraut habe."

Doch ein Manuel-Friedrich-Spiel

So weit der harmonische Teil, aber wie die Geschichte weiter geht, weiß auch Friedrich nicht. Was er weiß, ist, dass das Spiel gegen Irland am Ende doch ein Manuel-Friedrich-Spiel werden könnte, weil alle genau hinschauen werden, ob dieser hochgelobte Bundesligaverteidiger auf internationalem Niveau bestehen kann.

Friedrich ist systemsicher, spielstark, er war für die WM auf Abruf nominiert, aber gelegentlich streut er noch ein paar Aussetzer ein. In der letzten Saison hat er gerade gegen Spitzenteams Gegentore verschuldet, gegen Bayern, Bremen und den HSV, und er weiß, dass er das abstellen muss, wenn er noch mal Geschmack finden will an einer größeren Karriere.

Im tiefsten Innern würde er schon gerne beweisen, dass er mehr ist als der Milieuspieler Manuel Friedrich, der nur in Mainz glänzen kann.

Er habe den Mainzern versprochen, "diese Saison auf jeden Fall noch zu bleiben", sagt er, was im Umkehrschluss bedeutet, dass er - trotz eines Vertrages bis 2008 - im Sommer 2007 zu haben wäre.

"Verdammt schwer" würde es ihm fallen, Jürgen Klopp zu verlassen, andererseits: So wie er den Trainer einschätze, suche der vielleicht "noch mal eine große Aufgabe"; in Mainz könne es dem Trainer "ja keiner verübeln, wenn er sagt, er bricht die Sache irgendwann ab".

Er lasse sich von der Zukunft gerne überraschen, hat Friedrich vorhin gesagt - kann es sein, dass er sich besonders gerne von einer Zukunft überraschen ließe, in der er gemeinsam mit Klopp zum gleichen Klub wechselt?

"Theoretisch", sagt Manuel Friedrich und grinst, "theoretisch ginge das."

© SZ vom 1.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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