Nationalmannschaftstrainer Löw:Abschied vom Rentenvertragsfußball

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Unter einem Dreijahresvertrag haben es die meisten Trainer nie gemacht. Nicht so Joachim Löw. Er will keinen langfristigen DFB-Kontrakt - und steht damit exemplarisch für eine neue Trainergeneration.

Christof Kneer

Vielleicht ist es auch einfach das schlechte Gewissen. Vielleicht quält Franz Beckenbauer tief drinnen der Gedanke, dass ein Teil der Arbeitslosenquote auf sein Konto geht. Er ist ja nicht nur als Aufsichtsratschef beim FC Bayern beschäftigt, er amtiert auch noch als Kolumnist, Litfasssäule, Ex-WM-OK-Chef, Hubschrauberbeifahrer sowie allgemein als Lichtgestalt.

Nationalmannschaftstrainer Joachim Löw. (Foto: Foto: dpa)

Da bleiben für den Rest des Landes nicht mehr allzu viele Jobs übrig, und so ist es dem multiplen Franz ein beständiges Anliegen, dass die, die außer ihm noch Arbeit haben, wenigstens so lange wie möglich arbeiten dürfen. Franz Beckenbauer ist berühmt dafür, sog. Rentenverträge einzufordern, für Hitzfeld (früher), Ballack (auch früher) oder für Joachim Löw (aktuell).

Der Rentenvertrag ist ein Teil der deutschen Fußballgeschichte. Unter einem Dreijahresvertrag haben es die meisten Trainer nie gemacht, und wenn sie nach anderthalb Jahren entlassen wurden, haben sie ihre Abfindung eingepackt und sind mit ihr zum nächsten Verein gefahren, wo sie einen Dreijahresvertrag unterschrieben.

So haben sich Generationen von Trainern von Abfindung zu Abfindung ernährt, weshalb sich der deutsche Fußball über die Jahre zu einem Rentenvertragsfußball entwickelte. Die Sehnsucht nach langfristigem Arbeiten hat sich im DFB-Land meist in Vertragslaufzeiten erschöpft, selten in konzeptionellen Ansätzen - und man darf es lustig finden, dass Beckenbauer nun Joachim Löw einen Rentenvertrag aufdrängen will, jenem Mann, der dabei ist, den deutschen Rentenvertragsfußball abzuschaffen.

Klinsmanns letzter Sieg

Nein, Joachim Löw will keinen langfristigen Vertrag beim DFB, er will ihn genausowenig wie sein Vorgänger Jürgen Klinsmann. "Es war der Wunsch von Joachim Löw, beim Vertragsabschluss nach der WM 2006 immer nur von Turnier zu Turnier zu schauen", hat Theo Zwanziger gerade sehr bedauernd in einem Interview in der Bild am Sonntag gesagt. Zwar würde der DFB-Präsident sich wünschen, mit Löw als Bundestrainer "noch viele, viele Turniere zu bestreiten" - aus Respekt vor Löws Einstellung wolle er nun aber "die EM abwarten".

Im Moment könnte Löw beim DFB jeden Vertrag der Welt haben, bestimmt hätten sie ihm auch einen Wohnortwechsel nach Huntington Beach genehmigt - Löw liegt dieser Rentenansatz aber ebenso fern wie etwa Armin Veh, dem Trainer des deutschen Meisters VfB Stuttgart.

Auch er hat der Versuchung widerstanden, den Titel in einen meisterhaft dotierten Vertrag umzumünzen - fast eine Art Traditionsbruch in Stuttgart, wo der ehemalige Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder dem Spieler Balakov einst einen Vertrag zuschanzte, der sich von selbst verlängerte, sobald Balakov mittels Attest einen aufrechten Gang nachweisen konnte.

Löw und Veh sind die Trainer des Jahres, und weil sich der Fußball gern an seinen Erfolgreichen orientiert, darf man nun hoffen, dass sie stilbildend wirken. Der Trend weg vom Rentenvertrag wäre ein letzter Sieg des Projektleiters Jürgen Klinsmann und gleichzeitig nichts Anderes als die Anpassung an eine Realität, die es immer gab, die der deutsche Fußball aber nie wahrhaben wollte.

Im Grunde ist die Rentenvertragsdebatte schon immer aberwitzig gewesen, weil noch nie ein Trainer im Amt bleiben durfte, nur weil er zufällig einen Vertrag besaß. So sind im Lauf der Jahre Millionen von Abfindungen bezahlt und dem Geldkreislauf des Fußballs entnommen worden; umso wohltuender klingt nun der Ansatz der modernen Trainer. Langfristig soll jetzt nur noch das Konzept eines Vereins sein, der Name des Trainers ist variabel.

"Wir Trainer verdienen alle genügend Geld, dass wir nicht auf Abfindungen angewiesen sind", hat Veh gerade gesagt und dass es für ihn "künftig nur noch Einjahresverträge gibt". Er ist selbstbewusst genug zu wissen, dass sie ihn ohnehin weiter beschäftigen, wenn sie miteinander Erfolg haben; genauso weiß er, dass sie ihn andernfalls trotz Vertrages freundlich hinauskomplimentieren. Außerdem wolle er "auf Dinge reagieren können". Er will aufhören können, wenn sie ihm den Sportdirektor seines Vertrauens entlassen, zum Beispiel, oder wenn sie ihm plötzlich drei Spieler verkaufen.

Hitzfeld, modern wie nie

Es ist ein strammer Wind aus Süd, der zurzeit durchs Fußballland fegt. Gerade dort, wo das Klischee das Beamtentum verortet, in Baden (Löw), Württemberg (Klinsmann) und Bayerisch Schwaben (Veh), gerade dort wird das Beamtentum aufs Radikalste bekämpft. Jener Volksstamm, der den Häuslebau sowie das Viertele erfunden hat, rächt sich jetzt an all jenen, die ihm immer das -sch in der Aussprache nachgetragen haben.

So ist die höggschde Diszplin zum höggschden Kompliment geworden, das der Fußball zu vergeben hat - auch auf dem Rasen wird fortschrittlicher Sport zurzeit vor allem von Trainern verantwortet, die alles außer Hochdeutsch können.

So gesehen, wären auch die südlichen Dialektsprecher aus München modern wie nie. Offiziell hat sich Ottmar Hitzfeld nur bis 2008 an den FC Bayern gebunden, aber niemand muss meinen, dass er im Fall einer erfolgreichen Saison einfach so aufhört. Er wird dann so kurzfristig weitermachen wie Löw nach einer erfolgreichen EM 2008 kurzfristig weitermachen würde, aber sollte Hitzfeld auch 2008 erfolgreich sein, würde es langsam gefährlich. Dann droht ihm nämlich ein Rentenvertrag.

© SZ vom 18.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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