Nationalmannschaft:Zum Schmollen entschlossen

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Christian Wörns beklagt sich über seine Ausbootung - seine Lage im Nationalteam verbessert das nicht.

Philipp Selldorf

Außer Sittenstrolchen und Tierquälern zählen derzeit die Fußballer des FC Chelsea zu den unbeliebtesten Personen in England. Jede Woche wird aufs Neue der Tag beschworen, da die Mannschaft des großen Zampanos José Mourinho endlich wieder ein Spiel in der Premier League verliert, aber dieser Tag will einfach nicht kommen. Acht Siege nach acht Spieltagen, 18:2 Tore, neun Punkte Vorsprung auf den Zweiten geben Anlass zu Verwünschungen.

Spricht man aber Robert Huth, 21, auf die Verzweiflung seiner Insel-Mitmenschen an, zuckt er nur mit den Schultern. "Das ist der Neid", sagt er mit diesem Ausdruck extremer Gleichgültigkeit im Gesicht. Huth findet auch nicht, dass sein Team dem Rest des Landes mal eine Pause gönnen sollte. "Nö", sagt er, "wieso sollten wir Mitgefühl haben? Ich glaube nicht, dass die Mitgefühl mit uns hätten."

Ohnehin entsteht nicht der Eindruck, dass sich Huth häufig mit gefühlsmäßigen Betrachtungen aufhält, selbst dann nicht, wenn es um sein eigenes Fußballerschicksal geht. Der Hinweis auf Äußerungen des Schalker Sportmanagers Andreas Müller, ihn im Winter als Leihspieler nach Gelsenkirchen holen zu wollen, ruft bei Huth so viel Anteilnahme hervor, als ob man ihm aus dem neuen Postleitzahlenbuch vorlesen würde. "Davon habe ich nix gehört", erwidert er, "damit beschäftige ich mich überhaupt nicht."

"Verschwendete Energie"

Überlegungen dieser Art bezeichnet er als "verschwendete Energie". Letzteres verblüfft, denn Huth übt seinen Beruf auch in dieser Saison überwiegend auf der Reservebank aus und sollte daher noch einen reichen Energievorrat besitzen. Acht Minuten Einsatzzeit gönnte ihm sein Trainer am Wochenende beim Spiel in Liverpool. Als Huth für den im Sommer verpflichteten Spanier del Horno hineinkam, stand es 4:1 für Chelsea.

Da muss er es wohl als moralische Aufrichtung empfinden, dass er nun zu den Länderspielen in der Türkei (Samstag, 20 Uhr/live im ZDF) und gegen China wieder in die National elf aufgenommen wurde, nachdem ihn Jürgen Klinsmann zuletzt ins Juniorenteam abkommandiert hatte. Die jüngste Unterredung mit dem Bundestrainer rekapituliert er jedoch eher leidenschaftslos: "Er hat mir erklärt, dass ich bei den beiden Länderspielen dabei bin. Mehr aber auch nicht."

Das ist nicht allzu viel der Information, aber viel mehr als Christian Wörns, 33, von Klinsmann zuletzt erhalten hat. Wörns verfolgt mit einigem Ärger und wachsender Enttäuschung die Personalpolitik des Bundestrainers bei der Besetzung der Innenverteidigung, und anders als der zur Demut erzogene Huth, der das Wechselspiel im Abwehrzentrum mit dem ihm typischen Gleichmut kommentiert (" Ist halt so"), hat sich der Dortmunder nun zum Schmollen entschlossen. Er fühle sich "ein bisschen veräppelt", erklärte Wörns der Bild-Zeitung.

Es geht ihm dabei nicht nur um die sportliche Entscheidung, die Klinsmann neulich zugunsten von Per Mertesacker und dem jungen Kölner Lukas Sinkiewicz getroffen hat (" Sie haben im Moment ein bisschen die Nase vorn"). Lange Zeit hatte Wörns zugesehen, wie der Reformer Klinsmann sich eine Abwehr bastelte und dabei der Jugend ihre Chance gab. So kamen Mertesacker und Huth zu nationalen Ehren und gerieten zu Symbolfiguren d er Erneuerung.

Wörns ahnte Unheil, vertraute aber auf die Zusage, wieder ins Team integriert zu werden, wenn auf die Experimentierphase der Aufbau der Kernmannschaft für die WM folgen sollte. Nun findet dieser Aufbau ohne ihn statt, und obendrein sind durch Sinkiewicz und den nach zwei Jahren Absenz zurückgekehrten Dortmunder Mitspieler Christoph Metzelder weitere Konkurrenten in den Kader berufen worden.

"Ich kann das alles nicht nachvollziehen", stellt Wörns fest und wehrt sich energisch gegen Klinsmanns Darstellung, die Differenzen seien ausgeräumt ("Wir sind noch nicht auf einen Nenner gekommen"). Von seiner Nicht-Nominierung hatte er durch die Mailbox seines Mobiltelefons erfahren. Klinsmann störte sich derweil daran, dass Wörns bei der Fehleranalyse der missglückten Länderspiele in den Niederlanden und der Slowakei auf die Mitspieler gedeutet sowie auf den Mangel an Erfahrung beim Kollegen Sinkiewicz verwiesen hatte.

Dilemma im Fall Wörns

So ergibt der Fall Wörns ein Dilemma, das die Lage im Abwehrzentrum kennzeichnet. Mertesacker und Sinkiewicz sind große Verteidigertalente, aber aufgrund ihres Alters auch anfällig für plötzliche Karrieretiefs.

An dem nach England ausgewanderten Berliner Huth hat der Bundestrainer zwar irgendwie Gefallen gefunden, doch bleibt das eine Zuneigung, die sich im sportlichen Alltag nicht bewährt. Robert Huth zeigt auch wenig Neigung, daran etwas zu ändern. "Ich nehm' s, wie's kommt", beschreibt er stoisch seine Lage beim FC Chelsea.

Von Christoph Metzelder wiederum weiß nicht mal Christoph Metzelder, ob er das Niveau der WM 2002 wieder erreicht. "Das muss auf jeden Fall das Ziel sein", sagt er, sieht jedoch seine Aufgabe zunächst darin, die neuen Verhältnisse aus der Nähe kennen zu lernen.

Bleibt Christian Wörns, an dessen Eignung die Trainer Zweifel haben, den sie aber trotzdem im Blick behalten möchten. Sein öffentliches Klagen hat seine Situation aber kaum verbessert. Manchmal kann Gleichgültigkeit sogar ganz nützlich sein.

© SZ vom 06.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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