Nationalelf:Wo ist das Mittelalter?

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Die drei Gegentore gegen die "Offensivmacht" Australien haben es an den Tag gelegt: Der deutschen Nationalmannschaft fehlen zwei anständige Innenverteidiger im besten Fußballalter. Wir haben sie gesucht.

Jürgen Schmieder

"Das beste Alter für einen Fußball-Profi ist zwischen 25 und 30 Jahren." Eine alte Weisheit. In der Tat erreichen die meisten Kicker in dieser Zeitspanne den Höhepunkt ihrer Karriere - vor allem Innenverteidiger. Jürgen Kohler war am Tag des WM-Triumphes 1990 knapp 25 Jahre alt. Berti Vogts 1974 und Jupp Posipal 1954: beide 27 Jahre. Matthias Sammer bei der EM 1996: 28 Lenze.

Das Problem von Jürgen Klinsmann in diesen Tagen ist die Abwehrformation. Sie setzt sich zusammen aus Jung-Profis und alten Hasen. Was ihm fehlt, sind Spieler im mittleren Alter, zwischen 25 und 30 Jahren.

Entweder zu jung oder zu alt

"Wir haben kein Problem in der Abwehr", betont Klinsmann immer wieder. Die drei Tore der Australier lassen jedoch eine andere Schlussfolgerung zu.

Nachdem junge Spieler wie Robert Huth(20) vom FC Chelsea und Thomas Hitzelsberger(23) vom VfB Stuttgart ihre Gegenspieler regelmäßig zum Toreschießen einladen, werden die Rufe nach erfahreneren Spielern laut: Markus Babbel(32) und Christian Wörns(33) sollen nach dem Confederations Cup gefälligst wieder eingeladen werden. Sogar der Name Thomas Linke fiel schon in einer Talkrunde. Der wird in diesem Jahr 36 Jahre alt und läuft die 100 Meter in gefühlten 20 Sekunden.

Um die Sorgen von Klinsmann zu verstehen, muss man nur die Kader der Bundesligisten in der vergangenen Saison ansehen. Ganze 15 deutsche Verteidiger zwischen 25 und 30 Jahren stehen in den 18 Teams der ersten Liga unter Vertrag, darunter so erlesene Namen wie Markus Schuler, Daniel Schumann oder Timo Wenzel. Letzterer schaffte beim "Kicker" eine Saisondurchschnittsnote von 4,42.

Da wäre noch Frank Wiblishauser, der in dieser Saison ganze drei Spiele über 90 Minuten gespielt hat. Er war aber bei der Eröffnung der Allianz-Arena dabei - immerhin. Oder Ingo Hertzsch. Der hat schon zwei Länderspiele auf dem Buckel, eins im Jahr 2000 und eins 2002.

Legionäre? Fehlanzeige. Der letzte in diesem Alter war Matthias Sammer: 1992/1993 bei Inter Mailand.

Die Suche nach einem gestandenen Innenverteidiger - erfahren, aber nicht zu alt - scheint also sinnlos zu sein. Es gibt nur einen: Arne Friedrich (26), beim Spiel gegen Australien bester Mann auf dem Platz. Allerdings spielt Friedrich lieber auf der rechten Seite. Christoph Metzelder wird zwar Ende des Jahres ebenfalls 25, es bleibt jedoch abzuwarten, ob er nach seinen zahlreichen Verletzungen an seine Leistungen anknüpfen kann.

Einer 22, einer 31 Jahre. Durchschnitt: 26,5!

Die aktuelle Abwehr plus Wörns weist ein Durchschnittsalter von 25,6 Jahren auf. Aber nur Friedrich ist der Verteidiger, der in die Fußstapfen eines Jürgen Kohler oder Jupp Posipal treten könnte. Wenn er sich in der WM-Saison verletzt, ist die Spezies "deutscher Spitzenverteidiger im mittleren Alter" ausgestorben.

Bleibt nur zu hoffen, dass Lukas Podolski und Kevin Kuranyi weiter so treffsicher sind wie bisher. Über einen 7:6-Erfolg im WM-Finale 2006 würde sich mit Sicherheit auch niemand beschweren.

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