Nachruf:Endspiel-Torschütze Brown verstorben

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Der Argentinier schoss in 36 Länderspielen nur einen Treffer - aber einen besonderen: das 1:0 beim 3:2-WM-Finalsieg 1986 gegen Deutschland. Am Montag starb er im Alter von 62 Jahren.

Von Javier Cáceres

Vor ein paar Jahren, als Argentinien noch nichts von seiner Krankheit wusste, sagte José Luis Brown, er wolle auf dem Trainingsgelände von Estudiantes de La Plata beerdigt werden: "Estudiantes ist mein Leben." Als Heranwachsender war er oft morgens um fünf Uhr aufgestanden, um per Anhalter zum Training zu fahren. Später wurde er Profi, argentinischer Meister und auch Nationalspieler. Er lernte bei Estudiantes sogar seine Frau kennen; und auch sie verdankt dem Klub nicht nur die Liebe. Sondern auch ihr Leben.

2011 waren zwei Männer in ihr Haus eingedrungen, mit Messern bewaffnet. "In diesem Land hat man Geld für Diebe im Haus, sie gab es ihnen", erzählte Brown später der Zeitschrift El Gráfico: "Ah, du Hurentochter hast also Geld versteckt. Her damit!", hätten die Diebe gesagt. Als sie gingen, rief einer von ihnen: "Wir töten dich nur deshalb nicht, weil wir 'pinchas' sind". Estudiantes-Fans waren die Räuber also. Und wohl auch Fans von "Tata" Brown, wie der Verteidiger genannt wurde.

36 Länderspiele machte Brown, er schoss ein einziges Tor - ein ganz besonderes: im WM-Finale 1986 gegen Deutschland in Mexiko, beim 3:2-Sieg Argentiniens. Jorge Burruchaga schlug eine Freistoßflanke von rechts in den Strafraum; DFB-Keeper Toni Schumacher unterlief den Ball, Brown rannte Diego Maradona, Argentiniens legendären Kapitän, über den Haufen und jagte den Ball per Kopf zum 1:0 ins Tor. "Dich hab' ich ganz schön berühmt gemacht", habe ihm Schumacher später gesagt, erzählte Brown.

Verehrt wurde er aber nicht nur wegen des Tores, sondern weil er das Finale verletzt beendete: Brown gab als Abwehrchef das Signal, wenn auf Abseits gespielt werden sollte. Ein deutscher Spieler bekam den Auftrag, Brown zu rammen, wenn er hinauslief; dabei zerstörte er ihm die Schulter. Argentiniens Teamarzt signalisierte Trainer Carlos Bilardo, Brown müsse raus. Doch Brown lief zurück aufs Feld, biss mit den Zähnen ein Loch ins Trikot und hängte dort den Daumen hinein, um bis zum Ende zu spielen. "So hatte man ihn erzogen: Wenn nichts gebrochen ist, spielt man weiter", sagte Bilardo, ein Mediziner ohne größere Liebe zu den Geboten des Eids des Hippokrates. "Ich hatte eine Million Probleme überwunden und sollte wegen Schmerzen in der Schulter im WM-Finale aufgeben? Niemals!", sagte Brown später.

Drei Monate vor Beginn der WM 1986 hatte er nicht mehr spielen dürfen, wegen der Folgen eines Kreuzbandrisses von 1984. Sein Knie war voller Wasser und Blut. Bilardo nahm ihn mit und stellte ihn für Daniel Passarella in die Startelf; der Kapitän der Weltmeister von 1978 war mit mysteriösen gastrischen Problemen ausgefallen; Gerüchte zufolge wurden sie von Bilardo provoziert. Wie auch immer: Brown wurde zu jenem Gladiatoren, als den ihn Argentinien nun beweint, seit er am Montag an den Folgen einer Alzheimer-Krankheit verstarb. Er wurde 62 Jahre alt.

© SZ vom 14.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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