Drei Pferde, die dem übrigen Feld entgegen stürmen. Zwei Tiere, die frontal ineinander rasen, von der Wucht des Aufpralls durch die Luft katapultiert werden, noch auf der Strecke verenden. Ein Jockey, der ebenfalls durch die Luft fliegt, regungslos liegen bleibt und per Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen wird. Die schlimmen Bilder vom Samstag werden die Zuschauer in Hamburg-Horn so schnell nicht vergessen.
Passen solche Szenen zu einem Freizeitvergnügen wie einem Pferderennen? Nicht wirklich. Schon am Wochenende wurden kritische Fragen zur Zukunft des Derbymeetings an der Hamburger Galopprennbahn laut. Renndirektor Eugen-Andreas Wahler sagte dem Hamburger Abendblatt, der Vorstand werde nach dem Unglück in Ruhe beraten. Er persönlich sei jedoch dafür, "in Horn keine Hindernisrennen mehr durchzuführen".
Wahlers Wort hat in Hamburger Pferdesportfragen Gewicht. Ein offizieller Vorstandsbeschluss steht noch aus - doch er könnte das Ende der traditionsreichen Hindernisrennen bedeuten.
Schon seit 1855 finden in Hamburg-Horn Rennen statt. Seit 1889 heißt das Rennen offiziell "Deutsches Derby", sogar der deutsche Kaiser kam in den Anfangsjahren zu den Veranstaltungen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Rennbahn schwer verwüstet, das Derby musste für wenige Jahre nach Berlin, München und Köln ausgelagert werden. Doch es kehrte bald nach Hamburg zurück. Schon immer gab es Rennen ohne Hindernisse (klassische Rennen) sowie solche mit Hindernissen.
Der schlimme Unfall vom Samstag könnte das Ende dieser langen Tradition bedeuten. Hindernisrennen sind in Deutschland ohnehin umstritten, anders als in England, wo sich der Sport großer Beliebtheit erfreut, auch wenn es regelmäßig zu tödlichen Verletzungen kommt.
War der Unfall zu verhindern?
Schnell wurde die Frage laut, warum die Rennleitung in Hamburg nicht reagierte. Nach einem Sturz am ersten Hindernis waren drei Pferde reiterlos weitergaloppiert, wie es häufig passiert. Beim Versuch die Tiere einzufangen, machten diese jedoch kehrt - und stürmten dem Feld entgegen. Fast eine Minute hätten die Mitarbeiter rund um die Strecke Zeit gehabt, die anderen Reiter zu informieren, das Rennen abzuwinken.
Doch die Rückrufsignale rund um die Strecke blieben still. Auch der Bahnsprecher kommentierte weiter, als sei nichts geschehen. Die Situation war zeitweise chaotisch, die Stute Glad Royal und der Wallach Cool Kid rasten ineinander. "Wir konnten in diesem kurzen Zeitraum keinen Einfluss auf die Reiter nehmen", versuchte sich Peter Tasch von der Rennleitung zu rechtfertigen.
Die Zuschauer sahen dies anders. Nach dem Unfall legte sich Stille über die Horner Rennbahn, die 10.000 Menschen auf den Zuschauerplätzen verharrten geschockt. Dann pfiffen und buhten sie. Auch mancher Reiter zeigte Unverständnis. "In Italien reagiert man ganz anders", erklärte Jockey Eduardo Pedroza gegenüber der Hamburger Morgenpost: "Wenn da Pferde tödlich verunglücken, bricht man oft sofort ab."
Das 144. Deutsche Derby wurde trotz des schweren Unfalls vollständig ausgetragen. Am Ende siegte Jockey Andrasch Starke mit seinem Hengst Lucky Speed. "Von solchen Siegen kann man gar nicht genug kriegen. Ich freue mich unheimlich", sagte Starke. Auch das große Dinner am Sonntagabend wurde wie geplant abgehalten. Etwas zu viel Normalität für viele Zuschauer, die das Drama am Samstag miterleben mussten.