Nach der WM:Sitzen wie Diego

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In Stadion nach dem anderen wird dicht gemacht - das extra für die WM angeschaffte Inventar kommt nun unter den Hammer.

Ralf Wiegand

Die Männer auf der Haupttribüne sahen trotz ihrer blauen Anzüge nicht so aus, als würden sie feiern wollen mit den Franzosen, die unten auf dem Rasen gerade das Viertelfinale erreicht hatten. In ihren Latzhosen steckten Zollstöcke, sie hatten Funkgeräte umgeschnallt, und auf ihren Rücken stand auch nicht "Zidane" oder "Vieira" wie auf den blauen Trikots der französischen Fans, sondern "Schenker".

Pressetribüne im Dortmunder Stadion - hier bleiben die Sachen noch ein bisschen stehen, in anderen ist es vorbei mit der WM (Foto: Foto: ddp)

So heißt das Logistik-Unternehmen, das keine 20 Minuten nach dem Abpfiff der Partie Frankreich gegen Spanien damit begann, die ersten Fernsehkameras in der WM-Arena von Hannover abzubauen, einzupacken und wegzuschaffen. Das Erscheinen der Spediteure ist ein sicheres Signal dafür, dass die WM an einem Spielort vorbei ist.

Neben den Mannschaften scheiden in dieser Phase der Weltmeisterschaft auch die Städte reihenweise aus dem Turnier. In Leipzig und Nürnberg ist das Fußballfest schon seit dem Wochenende Geschichte, am Montag schlossen die Arenen in Köln und Kaiserslautern, am Dienstagabend fand das letzte Spiel in Hannover statt.

Bombe eingeschlagen

Hamburg erlebt sein lokales Endspiel am Freitag mit dem Viertelfinale Italien - Ukraine. Überall bleibt den Bautrupps nur drei Tage Zeit, um die Stadien wieder in jenen Zustand zu versetzen, in dem sie vor der WM waren.

Das ist nicht immer einfach. "Hier sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen", sagt Reiner Kellner, der in Hannover als "Facility-Manager" die Bauarbeiten beaufsichtigt. Das liegt aber nicht daran, dass bereits jemand mit der Abrissbirne gewütet hätte, sondern eher an den Folgen einer rauschenden Nacht.

Überall in den speziell für die WM eingerichteten Arealen, den Presseräumen, Mixed-Zones, VIP-Lounges, feierten die WM-Freiwilligen und die Ordnungskräfte ein zünftiges Abschiedsfest. "Manche haben auch versucht, sich Andenken mitzunehmen", sagt Kellner, sie zerrten also an den Schmuckbanden, mit denen die gewöhnlichen Werbereiter im Stadion in den letzten Wochen verkleidet waren. "Die Schönheit", sagt Kellner, "ist weg. Das hängt alles in Fetzen."

Dieser etwas rustikale Rückbau ist allerdings in Ordnung, solange die wiederverwertbaren, wichtigen Teile keinen Schaden nehmen. Als Erster begann HBS, die Produktionsfirma der Fifa, bereits in der Nacht damit, ihr Equipment abzubauen und zu sichern.

Am Tag wurden die im Stadion verteilten rund 600 Monitore demontiert und in ihre Originalkartons verpackt. Der Sponsor möchte die Geräte zurück, mit der jeweiligen Fernbedienung. Eine Firma aus Mainz wird die Aufbauten auf der Pressetribüne demontieren.

In allen Stadien sind die Plätze für Medienvertreter nach dem Fifa-Pflichtenheft genormt, im Fernsehen ist es der große, blaue Block in der Mitte der Haupttribüne. Mehrfachstecker, Netzwerk-Verkabelung, Schreibtischlämpchen, Platztelefone - alles muss abgebaut werden.

In Hannover können normalerweise 96 Medienvertreter die Heimspiele des Bundesligisten Hannover 96 an einem Pult verfolgen, für die WM mussten 600 solcher Plätze auf der Tribüne geschaffen werden, wofür 1800 normale Sitzplätze überbaut worden waren.

Am 28. Mai hatte die Stadt Hannover den bis dahin AWD-Arena genannten Spielort nach einem 500.000 Euro teuren Umbau der Fifa übergeben, die ihn der heiligen Werberechte wegen umgehend als Fifa-WM Stadion Hannover neutralisierte. Nun darf in den kommen Tagen der Sponsorenname wieder an die Fassade montiert werden.

Alles zu Geld machen

Beim Rückbau soll so wenig wie möglich des erst ein-, nun ausgebauten Zubehörs im Müll landen, dafür so viel wie möglich zu Geld gemacht werden. Das Hamburger Auktionshaus Wilhelm Dechow hat bereits damit begonnen, das Inventar aus Hannover zu versteigern, zum Beispiel "1 Pressetischreihe, best. aus: 5 Tische à 2.400 mm (L), 1 Tisch à 1.800 mm (L), jew. 600 mm (T) x 700 mm (H), inkl. Stufenausgleich, 1 TV-Ausschnitt, Kabelkanälen u. a. m.".

Das Stück ist bereits verkauft worden, für 1500 Euro. Zwei Kommentatorenplätze, auf denen sogar Diego Maradona bei seinem Besuch am Dienstag gesessen haben könnte, gibt es für 500 Euro. Mannshohe Monitorständer, die Fächer-Regale für das Info-Material, Begrüßungs-Tresen, Bar-Rückwände, Deko-Sitzelemente in Kiwigrün - alles kommt untern Hammer.

Gleichzeitig sollen vor allem die Medien-Facilities en gros an andere Veranstalter verkauft werden. Der umstrittene Rasen bleibt in Hannover allerdings im Stadion liegen, "unsere Greenkeeper wissen schon, was sie damit machen müssen", sagt Kellner. Der Berliner Endspielrasen dagegen wird von einem Versandhaus portionsweise verkauft.

Bleibt in Hannover noch ein ganz spezieller Rückbau: Das 3000 Quadratmeter große Pressezentrum war in der Stadionschwimmhalle eingerichtet worden, 340.000 Euro hat allein die Verwandlung des Nassbereichs in einen hochleistungsfähigen Medien-Arbeitsplatz gekostet. Direkt unterm Sprungturm verfassten Journalisten ihre Texte und Kommentare, in einem unvergleichlichen Ambiente.

Das Wasser hatten die Organisatoren vorher freundlicherweise in die nahe Leine geleitet.

© SZ vom 29.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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