Nach der EM:Und jetzt?

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Die EM ist vorbei. Endlich, denn damit geht die Befreiung des Fußballs aus der Umklammerung von Angela Merkel und Sarah Brandner einher.

Johannes Aumüller

Heute Abend kommt im Fernsehen "Monk". Das ist aus zwei Gründen eine großartige Nachricht. Zum einen, weil sich diese Serie auf eine nette Weise aus dem üblichen Krimi-Einerlei absetzt; zum anderen, weil sich der Krimi-Liebhaber die Serie auch mal wieder anschauen kann. Denn in den vergangenen Wochen konnte "Monk" so oft kommen wie er wollte - da war nix mit Krimigucken, da war schließlich EM.

Angela Merkel, hier mit Bastian Schweinsteiger, war während der EM omipräsent. (Foto: Foto: dpa)

Moment, mag der informierte Sachkundige einwerfen: Monk kommt doch immer von 22.15 Uhr bis 23.15 Uhr und die Spiele dauerten in der Regel nur bis 22.35 Uhr, da wäre doch genügend Zeit gewesen, nach dem Schlusspfiff rüberzuzappen, um wenigstens noch mitzubekommen, wer der Mörder war. Einerseits stimmt das. Andererseits sprach danach Netzer, dann Löw im Interview und schließlich Waldi Hartmann bei seinem unsäglichen Stammtisch - und ein echter EM-Gucker muss sich natürlich erst Netzer, dann Löw und dann Hartmann anschauen. Immerhin saß in dieser hochwichtigen Runde neben Hansi Müller auch einmal Peer Steinbrück. Es fehlte nur der Bundespräsident.

Moment, mag der noch besser informierte Sachkundige einwerfen: Monk kommt doch immer dienstags und am vergangenen Dienstag war doch zwischen Viertel- und Halbfinale EM-frei. Einerseits stimmt das. Andererseits gibt es in der öffentlichen Wahrnehmung aber keine EM-freien Tage mehr. Die "Münchner Runde" diskutierte über Fußball, die "Phoenix-Runde" auch, alle palaverten, und etliche Male schalteten die Öffentlich-Rechtlichen ins deutsche Lager. Noch mal: Abends war spielfrei.

Fußball, Fußball über alles - das war der Tenor der vergangenen Wochen. Nun ist es in den Zeiten einer EM ja normal, dass sich auch gemeinhin weniger Interessierte mit Viererketten, passivem Abseits und obskuren Zahlenkombinationen wie 4-2-3-1 widmen; und dass der Fußball über den Fußball hinaus auch eine gesellschaftliche Funktion wahrnimmt, ist sowohl richtig als auch wichtig. Doch, wir halten es da mit Paracelsus, die Dosis ist es, die Dosis.

Es schien, als erhielten Michael Ballack und Hamit Altintop den Status als inoffizielle Integrationsbeauftragte zugesprochen. Ein 19-jähriges Mädel namens Sarah Brandner, von Beruf Schweinsteiger-Freundin, war auf einmal das wichtigste Model der Welt. Die "Tagesthemen" und das "Heute Journal" eröffneten ihre Sendungen mit Berichten über die EM und widmeten sich so unwichtigen Kleinigkeiten wie den Vorgängen in Simbabwe oder dem Stellenabbau bei Siemens kurz vor dem Wetter. Gerüchten zufolge überlegte Angela Merkel, ob sie ihre Kabinettssitzung nicht besser in der deutschen Umkleidekabine abhalten solle.

Fußball, Fußball über alles - nach dem Finale ist das vorbei. Endlich. Die integrationspolitischen Aufgaben des Landes übernehmen wieder Wolfgang Schäuble und Kenan Kolat. Die Modewelt findet wieder auf den Laufstegen in Paris und Mailand statt. "Tagesthemen" und "Heute Journal" haben wieder viel Platz für Politik und Wirtschaft.

Und der Fußball? Der muss sich keine Sorgen machen. Am Montagnachmittag hat der FC Bayern wieder das Training aufgenommen, am Dienstagmorgen folgt Schalke, am Dienstagabend Energie Cottbus. Bald geht die Bundesliga wieder los, und dann geht es wieder um Viererketten, passives Abseits und 4-2-3-1.

Fußball ist wirklich ein großartiger Sport. Daran können auch Angela Merkel und Sarah Brandner nichts ändern. Obwohl: Wer ist noch mal Ehrenmitglied bei Energie Cottbus?

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