Nach dem Großen Preis von Spanien:Verwunderung über die Grauen

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Die Formel-1-WM wird nur zwischen Alonso und Schumacher entschieden. Räikkönen ist schon draußen: In Barcelona offenbarte sich die Krise beim Team von McLaren Mercedes.

René Hofmann

Die Auftritte von Ron Dennis sind immer unterhaltsam. Wer will, kann sich vorher eine Liste schreiben, welche Worte der McLaren-Chef benutzen wird.

Juan Pablo Montoya macht sich auf einen ruhmlosen Heimweg vom Spanien-Grand-Prix. (Foto: Foto: dpa)

Jede Wette: "Appropriate" - angemessen - und "inevitable" - unvermeidlich - werden dabei sein. Nie sagen wird Dennis dagegen "Ferrari", wenn es darum geht, ein besonders gutes Team zu nennen, und "Krise", wenn er über die Schwäche seines eigenen Rennstalls reden soll.

Je länger der erfolglos ist, desto länger werden Dennis' Antworten. Am Wochenende hat er am Circuit de Catalunya eine Pressekonferenz gegeben und dabei 101 Sätze gesagt. Viele waren über 30 Worte lang. Ein besseres Zeichen, wie groß die McLaren-Misere gerade ist, lässt sich kaum finden.

Das Team, das in den vergangenen Jahren stets um den Titel mitfuhr, hat den Anschluss verloren. Bereits der Start in die Saison war harzig, beim Spanien-Grand-Prix aber zeigte sich das Dilemma in seiner ganzen Größe.

Bei Juan Pablo Montoya ging es schon in der Qualifikation drunter und drüber. Seine Boxenmannschaft ließ sich von einer kurzen Unterbrechung völlig durcheinander bringen.

Alle Hände voll zu tun

Als der Kolumbianer mit dem Wunsch vor die Garage rollte, den Frontflügel ein wenig verstellt zu bekommen, sprang ein Mechaniker zur Hilfe, der zur gleichen Zeit eine Hand eigentlich auf dem Sicherheitsschalter an der Tanksäule hätte haben sollen.

Die Konsequenz: Es floss kein Benzin, Montoya musste bummeln, seine Reifen kühlten ab, er schied aus und durfte lediglich als Zwölfter starten. Im Rennen revanchierte er sich dafür mit einem lustlosen Auftritt. In Runde 17 kreiselte er ins Kiesbett.

Teamkollege Kimi Räikkönen schaffte es zwar hinter den beiden Renaults und den beiden Ferraris als Erster ins Ziel, wie wenig der fünfte Platz aber wert ist, zeigt ein Blick auf die Liste der schnellsten Rennrunden.

In der Wertung hinkt der Finne sieben Zehntelsekunden hinterher. Die Strecke bei Barcelona gilt als Referenzkurs. Wer dort schnell ist, fährt überall vorne, wer hinterherhinkt, bekommt vielerorts Probleme.

Im Klartext heißt das: Die WM wird zwischen Fernando Alonso und Michael Schumacher entschieden. Räikkönen ist draußen.

Zittern in den Kurven

"Eine Sekunde" schneller wünscht sich Mercedes-Sportchef Norbert Haug den MP4-21 pro Runde. "In schnellen Kurven fehlt den Fahrern das Vertrauen in das Auto", sagt McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh. Der Glaube an das Gefährt war von Anfang an erschüttert.

"Schon beim ersten Test habe ich gemerkt, dass das Auto nicht das beste auf der Strecke ist", sagt Kimi Räikkönen. Nur Chef Ron Dennis gibt nach wie vor Durchhalteparolen aus.

Er sagt, stark gerafft: "McLaren und Mercedes so früh schon abzuschreiben, ist nicht klug." - "Wir wissen, wo wir uns verbessern können." - "Wir wissen, wie man Rennen gewinnt."

In diesem Jahr ist das allerdings noch nicht geglückt, und tendenziell wächst der Abstand zu den Besten. "Zwei Teams haben sich seit dem Saisonstart besser weiterentwickelt", sagt Mercedes-Statthalter Norbert Haug, ohne Renault und Ferrari beim Namen zu nennen.

Im Winter hat McLaren seinen Chefkonstrukteur Adrian Newey an Red Bull und zudem etliche andere Ingenieure verloren. Der Aderlass ist so stark, dass nun selbst die beim ersten Rennen noch überrundete Toyota-Mannschaft Morgenluft wittert: "Unser Abstand zu Mercedes ist gar nicht mehr so groß", frohlockt der leitende Angestellte John Howard.

Auch bei Ferrari ist die McLaren-Schwäche ein großes Thema. Die Roten hatten gehofft, die Grauen kämen ihnen beim Rangeln mit den Blauen zur Hilfe.

Ferraris Technikchef Ross Brawn wundert sich über die Strategie, mit der McLaren Räikkönen und Montoya in die Rennen schickt: "Wir versuchen, zu verstehen, was sie tun. Bisher ist uns das nicht gelungen."

Räikkönen denkt über Wechsel nach

Am Nürburgring schleppte Räikkönen so viel Benzin mit in die Wettfahrt, dass er lange im Mittelfeld fest hing und am Ende über Rang vier nicht hinauskam.

Die Patzer kommen zur Unzeit. Mit guten Resultaten wollte das Team Räikkönen überzeugen, bei ihm zu bleiben. Aber: "Gemessen an den Erwartungen sind die Ergebnisse enttäuschend", sagt der.

Die Anzeichen, dass Räikkönen 2007 zu Ferrari wechselt, verdichten sich. Für McLaren wird dann Weltmeister Fernando Alonso fahren. Wer noch? "Wir sind jetzt in eine Phase der Entscheidungen eingetreten, in den kommenden zwei bis drei Wochen werden die fallen", sagt Ron Dennis.

© SZ vom 16.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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