Motorsport:Vierfach amputiert in die Rallye Dakar

Lesezeit: 2 min

"Nichts ist unmöglich": Philippe Croizon startet als erster vierfach amputierter Fahrer bei der Rallye Dakar. (Foto: imago)

Der schwer gehandicapte Franzose Philippe Croizon erfüllt sich bei der Dakar-Rallye einen Traum. Behandelt wird er wie alle anderen Fahrer.

Philippe Croizon erinnert sich noch gut an diesen Morgen, er war gerade aufgewacht, als seine Freundin ihn fragte: "Du hast schon lange kein Abenteuer mehr erlebt, Schatz. Hast du keine Idee?"

Es dauerte nicht lange, ehe Croizon auf der Suche nach einer Antwort fündig wurde: die Dakar! Der 49-Jährige hatte die in Frankreich populäre Wüstenrallye seit den 80er Jahren verfolgt. Jetzt begibt sich Croizon selbst auf die knapp 9000 Kilometer lange Wettfahrt durch Südamerika. Und erfüllt sich damit den nächsten Traum.

Motorsport
:In der Formel 1 zählt das Übermorgen

Vor der Saison 2017 ist die Neubesetzung bei Mercedes das große Thema. Doch viele Beteiligte denken sogar noch ein Jahr weiter - wegen Sebastian Vettel.

Kommentar von René Hofmann

Bei einem Elektrounfall verlor er alle vier Gliedmaßen

Croizon hat sich in seinem Leben immer wieder in die Extreme vorgetastet. Er fürchtet die Gefahren nicht, er weiß, was ein echtes Unglück ist. 1994 verlor der Franzose bei einem Elektrounfall beide Arme und Beine, sein Leben schien ihm plötzlich zu entgleiten. 16 Jahre später durchschwamm er dann den Ärmelkanal, mit speziellen Prothesen. In diesem Jahr schürte er bei der 39. Rallye Dakar vor dem Startschuss die Aufmerksamkeit, als erster vierfach amputierter Teilnehmer.

Croizon musste vor seiner Teilnahme einige logistische Barrieren überwinden. Sein rot-schwarzer BMW-Buggy mit der Startnummer 352 musste umgebaut und mit einem speziellen Steuersystem ausgestattet werden. Croizon kontrolliert das Fahrzeug mit einem über seinem rechten Stumpf angebrachten Karbonaufsatz. Wenn er daran zieht, dann wird beschleunigt, wenn er schiebt, dann bremst der Wagen. Hinzu kommen die Bewegungen nach links und rechts für die Lenkung. Alles finanziert durch Sponsorengelder. Der französische Rallye-Organisator ASO zögerte zunächst, schließlich winkten die Funktionäre den Start aber durch.

Es war der 5. März 1994, als Croizons Leben in zwei Teile zerfiel, in ein Davor und ein Danach. Er hatte auf seinem Hausdach an der TV-Antenne gearbeitet, das Gerät kippte, fiel in eine Starkstromleitung, zusammen mit Croizon. Ihm schossen 20 000 Volt durch den Körper. Er überlebte den Unfall zwar, doch die Gliedmaßen waren verschmort, verloren. Eine Amputation war unumgänglich. Als letztes wurde das linke Bein abgenommen. "Ich wollte sterben", gestand der gelernte Stahlarbeiter nach dem Unglück.

Croizon entschied sich dann doch für das Leben. "Nichts ist unmöglich", dieses Motto rief er fortan als Leitfaden für sein Leben aus, und es dauerte nicht lange, ehe er sein erstes Abenteuer ausgemacht hatte. Croizon wollte den Ärmelkanal durchqueren, schwimmend, klar. Eine Dokumentation über eine Schwimmerin hatte ihn inspiriert, er lag damals noch im Krankenbett. Das war der Moment, als sein zweites Leben begann. Er trainierte zwei Jahre lang fünf Stunden täglich - mit Erfolg. Am 18. September 2010 bewältigte er die 34 Kilometer lange Passage zwischen Großbritannien und Frankreich in weniger als 14 Stunden. Später durchquerte er Meerengen zwischen allen fünf Kontinenten erfolgreich, er wagte zudem einen Fallschirmsprung.

Eine Sonderbehandlung erfährt der Extremsportler nicht, trotz seines Handicaps. Sein Fahrzeug erfüllt die gleichen Sicherheitsstandards wie alle anderen Boliden. Er erhielt die Fahrlizenz erst, nachdem er nachgewiesen hatte, sich bei einem Unfall binnen 20 Sekunden selbständig aus seinem Fahrzeug befreien zu können. Croizon brauchte zwölf. Zwischen den Etappen bewegt er sich mit einem Rollstuhl durch die Zeltstadt der Teams. Die Generalprobe mit seinem Gefährt brachte er bei der einwöchigen Rallye Marokko hinter sich, gemeinsam mit seinem Beifahrer Stephane Duplé (Frankreich). "Natürlich gab es noch einige Kinderkrankheiten, aber ich habe das Ziel erreicht und bin trotz 75 Stunden Strafe Fünfter geworden", sagt Croizon. Er glaubt, dass einiges möglich ist bei seinem nächsten Abenteuer.

© SZ vom 03.01.2017 / sid, SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Formel 1
:Mercedes und die komplizierte Fahrersuche

Druck für Hamilton, Motoren für Williams, Werbung für Alkohol: Bei der Frage, wer das Cockpit von Nico Rosberg bekommt, muss Motorsportchef Toto Wolff einiges bedenken.

Von Elmar Brümmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: